Chancen nutzen und Risiken mindern / Dr. Anja Weisgerber (CSU) nimmt Stellung zur Dienstleistungsrichtlinie

Schweinfurt. Anlässlich der Abstimmung über die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie am 16. Februar 2006 im Europäischen Parlament in Straßburg erklärt die unterfränkische Europaabgeordnete Dr. Anja Weisgerber:

In der vergangenen Woche habe ich die unterfränkischen Entscheidungsträger und Sozialpartner – darunter Industrie, Handel, Handwerk, Gewerkschaften, Landwirtschaft, Hochschulen, Kommunalvertreter und Mandatsträger – noch einmal umfassend über den Stand der Beratungen so kurz vor der Entscheidung mit einem offenen Brief (siehe Anlage) informiert.

Die anhaltende Kritik an dieser Richtlinie bezieht sich auf den Entwurf der Kommission. Dieser Entwurf ist spätestens seit der Abstimmung des Binnenmarktausschusses im Europäischen Parlament von November 2005 vom Tisch!

Der Kommissionsentwurf enthielt ursprünglich eine Reihe von Bestimmungen, die aus Sicht der CSU und der Sozialpartner bedenklich waren. Diese Bestimmungen wurden durch die Annahme parteiübergreifender Anträge, die die CSU mitinitiiert hat, im zuständigen Binnenmarktausschuss aus der Richtlinie herausgenommen oder maßgeblich entschärft. Den Forderungen von Handwerk, Gewerkschaften und Industrie wurde damit Rechnung getragen:

(1) Das umstrittene Herkunftslandsprinzip wurde gestrichen!
(2) Das gesamte deutsche Arbeits- und Sozialrecht behält weiterhin uneingeschränkt Geltung auch im Dienstleistungssektor. Ein Sozial- oder Ökodumping wird es mit den vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Änderungen daher nicht geben. Dies bedeutet konkret, dass eine lettische Firma ihre lettischen Arbeiternehmer nicht zu lettischen Löhnen, lettischen Arbeitsschutzbestimmungen und zu lettischen Arbeitsbedingungen in Deutschland einsetzen kann, sondern sich an das deutsche Arbeits- und Sozialrecht halten muss.
(3) Bereits bestehende Richtlinien wie die für Handwerk und Bauindustrie so bedeutende Entsenderichtlinie genießen uneingeschränkten Vorrang vor der Dienstleistungsrichtlinie.
(4) Weiterhin wurden sensible Dienstleistungsbereiche wie z. B. der komplette öffentliche Gesundheitssektor aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Der Bereich Leiharbeit/Zeitarbeit soll in der Plenarabstimmung auch noch herausgenommen werden.
(5) Die Behörden vor Ort erhalten ein umfassendes und durch das Parlament verschärftes Prüfungs- und Kontrollrecht gegenüber den ausländischen Dienstleistern. Zudem werden die Behörden europaweit zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch verpflichtet. Dies erhöht die Effektivität der Kontrollen.

Bestehende Probleme auf dem Dienstleistungs- und Arbeitsmarkt haben nichts mit der Richtlinie zu tun, da diese noch gar nicht verabschiedet wurde. Die Gründe liegen vor allem im liberalen deutschen Gewerberecht – insbesondere in dem von Rot-Grün beschlossenen Wegfall des Meisterzwangs in über 50 Handwerksberufen.

Deutschland ist trotz seiner starken Dienstleistungswirtschaft im Moment Nettoimporteur für Dienstleistungen. Dies liegt daran, dass erhebliche diskriminierende Hürden deutschen Unternehmen Tätigkeiten im EU-Ausland erschweren. Ein leichterer Zugang für deutsche Firmen zu diesen Märkten ermöglicht laut Expertengutachten in Deutschland die Schaffung von bis zu 100.000 neuen Arbeitsplätzen und wird auch in Unterfranken zu einem verstärkten Wachstum führen.

Das Europäische Parlament hat die berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in Europa ernst genommen und wird den Richtlinienentwurf zum Positiven verändern. Wir müssen nun, da wir die Risiken aus dem Weg geräumt haben, die Chancen für unsere deutsche und unterfränkische Wirtschaft erkennen und ergreifen.


Anlage:

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