73. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zum Thema Klimagipfel in Glasgow, stockende Verhandlungen in Berlin

Rede im Deutschen Bundestag, 11. November 2021

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich freue mich sehr, dass Sie heute die Sitzung zum ersten Mal leiten. Werte Kolleginnen und Kollegen! Was haben Glasgow und Berlin gemeinsam?

(Timon Gremmels (SPD): Das Wetter!)

Nicht das Wetter, sondern dass sowohl in Glasgow als auch hier in Berlin derzeit wichtige Verhandlungen zum Thema Klimaschutz stattfinden.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut erkannt!)

In Glasgow kämpfen die Verhandler dafür, dass sich alle Staaten der Welt ehrgeizige und ambitionierte Klimaziele geben. Nur wenn alle mitziehen, haben wir eine Chance, das weltweite 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die Einhaltung dieser Klimaziele muss vergleichbar, muss kontrollierbar sein. Deswegen ist es wichtig, dass das Regelbuch von Paris noch weiter präzisiert wird. Darum wird gerade intensiv gerungen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Dass wir dieses einheitliche Regelbuch haben, ist entscheidend für einen erfolgreichen internationalen Klimaschutz, aber auch entscheidend für einheitliche Wettbewerbsbedingungen für unsere Volkswirtschaft. Denn eines ist klar: Wer nur mit der nationalen Brille Klimapolitik macht, wie es bei manchen Ampelkoalitionären den Anschein hat, der schadet unserer Volkswirtschaft

(Timon Gremmels (SPD): Was? Keine Schärfe!)

und erweist auch dem Klimaschutz in Wahrheit einen Bärendienst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch in Berlin kommen die Verhandlungen in die entscheidende Phase. Dort ist es genauso: Es ist einiges im Fluss. Die Honeymoon-Bilder vom Anfang sind vorbei. Jetzt muss es konkret werden, und jetzt ist es wirklich mal interessant, sich die Details anzuschauen.

(Marianne Schieder (SPD): … die Sie gar nicht kennen!)

So sieht das Sondierungspapier - das kennen wir - eine Abkehr von den Sektorzielen vor.

(Timon Gremmels (SPD): Die Details stehen nicht in unserem Sondierungspapier!)

Stattdessen wird von sektorübergreifenden mehrjährigen Gesamtrechnungen gesprochen. Hört, hört! Die Sektorziele waren der SPD und den Grünen, auch den Nichtregierungsorganisationen und den Umweltverbänden immer so wichtig;

(Timon Gremmels (SPD): Warten Sie es erstmal ab!)

denn sie sind Bestandteil eines effektiven Monitorings und einer effektiven Kontrolle, die das Klimaschutzgesetz so erfolgreich und so effektiv machen. Kaum ist die Ampel am Zug, werden die Daumenschrauben, die wir als Große Koalition eingeführt haben,

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wohl abgeschafft. Das ist nicht gut für das Klima, und das ist auch erstaunlich. Wenn man Klimaregierung werden will, dann muss man sich auch an den Taten messen lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU - Marianne Schieder (SPD): Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute!)

Von Zeitenwende war die Rede, von Aufbruch, von Fortschritt und Veränderung. Im Augenblick scheint reichlich Sand im Getriebe zu sein.

(Marianne Schieder (SPD): Oijoijoi!)

Ich bin gespannt, wie die SPD, die Grünen und die FDP die künftige Klimapolitik gestalten wollen, was sie grundlegend anders machen wollen, ohne die Menschen - denn für die sitzen wir hier im Bundestag, meine Damen und Herren - dabei zu verlieren, und wie sie die Energieversorgungssicherheit zu erträglichen Preisen garantieren wollen.

Interessant ist auch eine weitere Stelle im Sondierungspapier. Da ist von einer konsequenten Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes die Rede. Soll weiter an der Schraube der Klimaziele gedreht werden? Ich sage Ihnen: Die 65 Prozent bis 2030, die wir jetzt mit dem Klimaschutzgesetz gesetzlich verbindlich gemacht haben, sind sehr ambitioniert. Was ist der Beweis dafür? Die Grünen haben genau diese 65 Prozent immer gefordert. Kaum haben wir sie ins Gesetz geschrieben, haben sie auf einmal 70 Prozent gefordert. Das ist doch die Wahrheit: Man will immer weiter an der Schraube drehen. Die Menschen werden dabei nicht mitgenommen und die Wirtschaft auch nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt keinen Zweifel: Deutschland und Europa werden und müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Aber alleine können wir das Klima nicht retten. Wir brauchen die anderen Staaten der Welt, China und die USA.

(Timon Gremmels (SPD): Dann brauchen wir aber auch Bayern! Sagen Sie das mal dem Söder!)

Ich bin da zuversichtlich angesichts der Erklärung, die gestern veröffentlicht wurde. Ein effektiver und marktwirtschaftlicher Weg für eine erfolgreiche Klimapolitik ist der Handel mit Verschmutzungsrechten; der Emissionshandel ist der Schlüssel. Das zeigt der Emissionshandel der EU, mit dem wir es kontinuierlich geschafft haben, die CO2-Emissionen im Bereich „Industrie und Energie“ zu senken.

Ich finde es deshalb erstaunlich, dass ich in Glasgow von meinen Kollegen aus dem Europaparlament erfahren habe, dass die Grünen und auch Teile der SPD im Europaparlament dagegen sind, dass wir auf europäischer Ebene einen Emissionshandel für Wärme und Verkehr einführen. In Deutschland sollen die Preise für Öl und Benzin hoch sein - sie können den Grünen gar nicht noch hoch genug sein -, und für andere EU-Länder soll etwas anderes gelten. Das ist keine konsistente und glaubwürdige Politik, meine Damen und Herren. Im Rahmen einer konstruktiven, kritischen Oppositionsarbeit werden wir immer wieder den Finger in solche Wunden legen. Darauf können Sie sich verlassen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)