Rede zum europäischen Biotopverbundnetz NATURA 2000 in Wetzlar

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Seif.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dette.
Verehrte Frau Dr. Breyer.
Sehr geehrter Herr Baumüller.
Meine sehr verehrten Damen und Herren.

Über die Einladung zu Ihrer Veranstaltung „Das europäische Netz NATURA 2000 – Perspektiven für Hessen“ hier in Wetzlar habe ich mich sehr gefreut.
Die Gelegenheit, zu Ihnen zum Thema „Nachhaltige Sicherung der Biodiversität durch Nutzung, Naturschutz im Einklang mit Wirtschafts- und Sozialinteressen“ sprechen zu können, nutze ich sehr gerne.
Als Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments liegen mir der Schutz der Natur und das Thema „Natura 2000“ sehr am Herzen.
Generell ist es sehr wichtig, die Bürgerinnen und Bürger für das Thema zu sensibilisieren und von den Vorteilen von Natura 2000 zu überzeugen.
Deshalb danke ich Ihnen, Herr Langsdorf, und Ihnen, Herr Dette, ganz herzlich für die Initiative zu dieser Veranstaltung.
Weil mir Umweltschutz so wichtig ist, war es mir zum Beispiel auch ein Anliegen, als Leiterin des Arbeitskreises Umwelt der Jungen Union in Bayern im Mai dieses Jahres eine Broschüre zum Thema „Die umweltfreundliche Gemeinde – Umweltschutz hilft Geld sparen!“ herauszubringen.
Kapitel aus dieser Broschüre sind zum Beispiel Landschaftspflege und Naturschutz, sowie Themen wie Umweltbildung, Abfallvermeidung, Energieeinsparung und der Einsatz erneuerbarer Energien.
Ziel ist auch hier, die Bürgerinnen und Bürger für diese Themen zu sensibilisieren.
Generell muss es unser Anliegen sein, dass die Themen Naturschutz und wirtschaftliche Belange nicht gegeneinander ausgespielt, sondern in Einklang miteinander gebracht werden, so wie es auch der Titel meines Vortrags ausdrückt.
Die Erhaltung und der Schutz der Umwelt sind wesentliche Ziele der Europäischen Gemeinschaft.
Und dies liegt auch im ureigensten Interesse von uns allen.
Hierzu zählt auch der Schutz der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.

Das weltweite Artensterben nimmt rapide zu.
Prognosen des WWF – Herr Baumüller ist ja heute hier – ergeben, dass in 10 Jahren etwa 2,5 Prozent der momentan lebenden Tier- und Pflanzenarten ausgestorben und damit unwiederbringlich verloren sein werden.
Europa ist zwar weltweit der Lebensraum, in dem die wenigsten Arten aussterben, aber jede ausgestorbene Art ist eine zuviel.
Deshalb ist ein verantwortungsbewusster und schonender Umgang mit der Natur dringend notwendig.
Auch unsere Kinder und Enkel sollen sich noch an der europäischen Artenvielfalt erfreuen können.
Es ist wichtig, dass sie die einzelnen Tiere oder Pflanzen nicht nur aus dem Lehrbuch kennen.
Naturschutz geht uns alle an.

Auch Klimaveränderungen machen vor Landesgrenzen nicht halt.
Deshalb ist es wichtig, dass Umweltschutzfragen auf europäischer Ebene gelöst werden.
Viele Arten und Lebensraumtypen können nicht isoliert in Schutzgebieten erhalten werden, da sie auf Wechselbeziehungen mit ihrer Umwelt angewiesen sind.
Die Wanderung und Ausbreitung von Arten und der daraus resultierende genetische Austausch sind Voraussetzungen für ein funktionierendes und stabiles Ökosystem.
Aus diesem Grund ist es notwendig, auf europäischer Ebene ein Biotopverbundnetz und einheitliche Regelungen zu schaffen.
Dieser Thematik hat sich die Europäische Union bereits mit zwei Richtlinien angenommen.
1979 wurde – Herr Dette hat es bereits eingangs erwähnt – die „Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“, besser bekannt als Vogelschutzrichtlinie, verabschiedet.
In der Vogelschutzrichtlinie werden etwa 700 Vogelarten aufgelistet, die zu schützen sind.
1992 hat die EU die „Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“ erlassen.
Diese Richtlinie wird – wie Sie wissen – nach ihren Anwendungsbereichen – Flora, Fauna und Habitat – auch FFH-Richtlinie genannt.
Die FFH-Richtlinie umfasst ihrerseits 218 Lebensraumtypen und mehr als 1.000 Tier- und Pflanzenarten, die eines besonderen Schutzes bedürfen.
Mit diesen beiden Richtlinien gibt die Europäische Union die gewünschten Ziele des Umweltschutzes vor, für die Umsetzung bleiben aber die einzelnen Mitgliedstaaten selbst verantwortlich.
Es gilt das Subsidiaritätsprinzip.

Im Jahr 2000 legte die EU im 6. Aktionsprogramm für die Umwelt ihre umweltpolitischen Prioritäten und Ziele bis 2010 fest.
Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Einbeziehung der Umweltschutzziele in andere Politikbereiche, auf dem Einklang mit wirtschaftlichen Interessen und auf der Einbeziehung der Bürger in Entscheidungen über die Flächennutzungsplanung.
Der Europäische Rat, der im Juni 2001 in Göteborg tagte, verständigte sich darauf, den Rückgang der biologischen Vielfalt in Europa bis 2010 aufzuhalten. Ein wesentlicher Ansatzpunkt dazu ist Natura 2000.
Natura 2000 ist auch Europas Beitrag zur Umsetzung des „Übereinkommens über die biologische Vielfalt“, das 1992 auf der Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro unterzeichnet wurde.
Das europäische Biotopverbundnetz führt die Vogelschutzgebiete und die FFH-Gebiete zusammen.
Damit entstand ein grenzüberschreitendes, europaweites Netz von zu schützenden Lebensräumen für wildlebende Tier- und Pflanzenarten.
Natura 2000 ist auch eines der weltweit größten Projekte zum Schutz der Natur und der Artenvielfalt.

1998 hat der deutsche Gesetzgeber Natura 2000 durch die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes weitgehend in nationales Recht umgesetzt.
Mit der erneuten Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahr 2002 wurde die Implementierung der FFH-Richtlinie weiter vorangetrieben.
Allerdings bestanden noch immer Defizite bei der Umsetzung, wie das EuGH-Urteil vom 10. Januar 2006 belegt, in dem Deutschland wegen sechs Punkten gerügt wird.
Hieran zeigt sich deutlich, dass Natura 2000 in Deutschland noch immer viel zu wenig Akzeptanz findet. Dies ist stellenweise berechtigt und liegt nicht zuletzt daran, dass der Europäische Gerichtshof in dieser Sache „aktiv Politik macht“. Ich werde später nochmals auf einige Schlüsselentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes eingehen.

Wir, die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, machen uns dafür stark, diese Probleme zu lösen.
Im nächsten Jahr müssen alle Mitgliedstaaten der EU Berichte zur Umsetzung der FFH-Richtlinie vorlegen.
Dies wollten wir zum Anlass nehmen und eine Revision der Richtlinie während der deutschen Ratspräsidentschaft durchsetzen, was der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel jedoch abgelehnt hat.
Wir werden dennoch weiter dafür kämpfen, dass die Nachteile von Natura 2000 beseitigt werden, damit die positive Zielrichtung der FFH-Richtlinie nicht konterkariert wird.
Neben den Problemen bestehen leider viele Vorurteile in Bezug auf Natura 2000, die nicht immer begründet sind.
So wird häufig behauptet, dass auf einem FFH-Gebiet jegliche Nutzung verboten ist.
Dies hätte massive Einschränkungen für die in dem Gebiet lebenden Menschen zur Folge.
Dem ist aber grundsätzlich nicht so.
Die Europäische Union hat bei der Ausgestaltung von Natura 2000 versucht, die Naturschutzinteressen in Einklang mit den wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Menschen zu bringen.
Nach meiner Einschätzung wurde in der Richtlinie der Grundstein für einen angemessenen Ausgleich gelegt.
Natura 2000 ist auch deutlich besser als sein Ruf.

Die Nutzung von Schutzgebieten
Es ist zu betonen, dass Flächen, die als Schutzgebiete eingestuft sind, grundsätzlich genutzt werden können, und dass Natura 2000 lediglich eine Verschlechterung der Wertigkeit des Gebietes verbietet.
Erlaubt bleibt somit beispielsweise auch weiterhin eine Änderung der Fruchtfolge auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Das Verschlechterungsverbot wird jedoch leider häufig mit einem Veränderungsverbot gleichgesetzt – zu Unrecht.
Veränderungen bleiben grundsätzlich möglich.
Und auch eine Verschlechterung im Hinblick auf den Naturschutz wird unter Umständen erlaubt, wenn dies von erheblichem sozioökonomischem Interesse ist.
So schließen die Bestimmungen zu Natura 2000 selbst Bebauungspläne oder Infrastrukturprojekte, wie den Bau von Straßen, in einem gemeldeten Naturschutzgebiet keineswegs komplett aus.
Es wurden Regelungen geschaffen, um auch solche Fälle zu berücksichtigen. Außerdem ist zu erwähnen, dass die Europäische Kommission nicht zwingend in das nachfolgend geschilderte Verfahren einzubinden ist.
Einzig bei der Verschlechterung von Lebensräumen prioritärer Arten ist eine Stellungnahme der Kommission einzuholen.
Dies betrifft beispielsweise für meine Heimat Bayern nur vier von 51 zu schützenden Tierarten und zwei von 18 zu schützenden Pflanzenarten.
Die Stellungnahme der Kommission ist auch nicht bindend.
Damit liegt die Verantwortung hauptsächlich bei den Umweltbehörden vor Ort, womit dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen wird. Ist eine Veränderung der Nutzung eines FFH- oder Vogelschutzgebietes vorgesehen, wird eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt.
Dabei überprüft die zuständige Behörde zunächst, ob der neue Nutzungsplan prinzipiell zu erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebietes führt. Sind solche Beeinträchtigungen nachweislich auszuschließen, so ist das Verfahren bereits abgeschlossen und eine vertiefende FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht erforderlich.
Die Verträglichkeitsprüfung wird nur durchgeführt, wenn diese Beeinträchtigungen nicht zweifelsfrei auszuschließen sind.
Dann wird zunächst nach einer Alternativlösung für das Bauvorhaben oder das geplante Projekt gesucht. Sollte eine solche Lösung nicht gefunden werden, ist zu prüfen, ob eine Alternative für das Schutzgebiet besteht.
Eine Null-Lösung, also eine gänzliche Absage an das geplante Projekt, ist nicht akzeptabel.
Falls für die Durchführung des Projektes ein berechtigtes Interesse des Gemeinwohls nachgewiesen werden kann, wird dieses Projekt in der Regel durchgeführt, auch wenn dies Beeinträchtigungen des FFH- oder Vogelschutzgebietes nach sich zieht.
Für diesen Fall müssen jedoch Ausgleichsmaßnahmen gefunden werden, um die notwendig gewordene Beeinträchtigung der Natur an diesem Standort zu kompensieren.
Das zuständige Landesumweltministerium hat in diesem Fall die Aufgabe, ein anderes Gebiet zu finden, dass als Schutzgebiet auszuweisen ist.
Da über 85% der Fläche Deutschlands keinen Schutzstatus hat, sollte es theoretisch kein Problem darstellen, geeignete Ausgleichsflächen zu finden. Praktisch sieht dies leider oft anders aus.
So scheuen sich – teilweise auch aus verständlichen Gründen – die zuständigen Behörden stellenweise davor, solche Ausgleichs-flächen auszuweisen, da sie Proteste aus den dann betroffenen Gebieten fürchten. Darüber hinaus sind bestimmte Biotope – wie z. B. Rastflächen für Zugvögel - oft nur an einer bestimmten Stelle möglich.
Aufgrund besonderer Bedingungen ist es manchmal schwierig, Ausgleichflächen an anderer Stelle zu schaffen, da sich dort diese besonderen Bedingungen wie etwa Wasserströmungen, Gezeitenwechsel etc. kaum woanders nachbilden lassen.
Allerdings gibt es genügend Beispiele, die zeigen, dass bei einer fairen Akzeptanz der gegenseitigen Belange, gerade auch in Zeiten des Strukturwandels der Landwirtschaft, genügend Kompensationsflächen bereitgestellt werden können.
In partnerschaftlichem Miteinander sollten hier Bewirtschafter gefunden werden, die sich auf die besondere Bewirtschaftungssituation einstellen wollen und können.

Zu berücksichtigen ist jetzt allerdings die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Natura 2000.
Das Urteil des EuGH vom 30. Januar 2002 zur Griechischen Meeresschildkröte, nach dem lateinischen Namen des Tieres „Caretta-Urteil“ benannt, markierte ein neues Verständnis des Artenschutzes.
Danach liegt eine absichtliche Störung geschützter Arten bereits vor, wenn eine Handlung auch nur geeignet ist, eine Art zu stören.
Damit wird eine Störung als absichtlich angesehen, selbst wenn sie nicht zielgerichtet ist, also wenn die Störung nicht intendiert wurde.
Anfang 2006 wurde Deutschland wegen Verstoßes gegen die FFH-Richtlinie in Bezug auf die Verträglichkeitsprüfung verurteilt.
Das Bundesnaturschutzgesetz hatte bestimmte nicht absichtliche Beeinträchtigungen der Natur aus dem Anwendungsbereich der Artenschutzbestimmungen ausgenommen, was jetzt nach dem EuGH nicht mehr möglich ist.
Diese weitere Verschärfung des Absichtsbegriffes hat weit reichende Konsequenzen, wie das folgende praxisnahe Beispiel zeigt.
Bewirtschaftet beispielsweise ein Landwirt seine Felder trotz des Wissens, dass auf seinen Feldern eine bedrohte Tier- oder Pflanzenart beheimatet ist, nach guter fachlicher Praxis weiter und wird dadurch die Art bedroht, hat er mit hohen Strafen zu rechnen.
An dieser Stelle besteht Nachbesserungsbedarf.
Denn die Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen werden sehr eingeschränkt. Außerdem ist so kaum mehr Rechtssicherheit für die Nutzung eines als geschützt deklarierten Gebietes gewährleistet, selbst wenn keine Veränderung in der Nutzung erfolgt. Prinzipiell ist der neue Absichtsbegriff im Sinne des Natur- und Artenschutzes.
Aber wenn es so ist, dass Schutzgebiete aufgrund dieser Auslegung überhaupt nicht mehr bewirtschaftet werden können, ist der Einklang von Naturschutz und Wirtschaftsinteressen nicht mehr gegeben.
Die Frage ist dann, ob die FFH-Richtlinie damit noch die notwendige Akzeptanz bei den Landwirten genießt, die erforderlich ist, um die positiven Ziele von Natura 2000 zu erreichen.

Meldeverfahren für Natura 2000
Lassen Sie mich nun das Meldeverfahren für schützenswerte Gebiete kurz erläutern.
Für die Auswahl, Abgrenzung und Meldung der Schutzgebiete sind die Mitgliedstaaten, in Deutschland in erster Linie die Bundesländer zuständig. Dabei sind die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten zu erklären.
Die Länder übermitteln die Meldeunterlagen an die zuständige Bundesbehörde, das Bundesumweltministerium.
Diese Daten werden dann zu einer nationalen Liste zusammengeführt und an die Europäische Kommission übersandt.
Die Europäische Kommission prüft daraufhin die Vorschläge und legt in einer Liste die „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“ fest.
Auch für dieses Meldeverfahren besteht mittlerweile eine äußerst problematische Auslegung der FFH-Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof.
Dieser hat am 07. November 2000 entschieden, dass für die Vorauswahl der Gebiete ausschließlich naturschutzfachliche Kriterien heranzuziehen seien.
Die in Artikel 2 der FFH-Richtlinie ausdrücklich genannten Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sind nach dem EuGH in dieser Phase nicht zu berücksichtigen.
Dies führt dazu, dass erst wenn eine Änderung des Nutzungsplanes angestrebt wird, Belange von wirtschaftlichem oder sozialem Interesse geltend gemacht werden können.
Über diese Interessen wird dann mittels der Verträglichkeitsprüfung, Frau Dr. Breyer hat es schon erwähnt, erst nachher entschieden.
Damit werden bei der Auszeichnung der Schutzgebiete sozioökonomische Belange nicht berücksichtigt.
Dies kann keine vernünftige Praxis darstellen.
Denn naturgemäß birgt die Auszeichnung der Schutzgebiete ein enormes Konfliktpotenzial vor Ort in sich.
Naturschutz kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn er mit und nicht gegen den Menschen vor Ort gemacht wird.
Daher müssen bei der Auszeichung der Gebiete die Auswirkungen für die Menschen vor Ort berücksichtigt werden.
Auch die Belange des ansässigen Gewerbes, des Handwerks oder der Land- und forstwirtschaftliche Betriebe müssen Gehör finden.
Gerade in zumeist strukturschwächeren ländlichen Gebieten dürfen die Entwicklungschancen nicht über Gebühr eingeschränkt werden.
In diesem Bereich ist daher unbedingt der Konsens zwischen den dort Wirtschaftenden und den Belangen des Naturschutzes zu suchen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn es um den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen geht.

Das deutsche Meldeverfahren
Frau Dr. Breyer hat das deutsche Meldeverfahren, die Verzögerungen und das Zwangsgeldverfahren bereits dargestellt. Frau Dr. Breyer hat auch erwähnt, dass die Europäische Kommission am 13.10.2006, vor etwas mehr als zwei Wochen, das mittlerweile zehn Jahre andauernde Vertragsverletzungsverfahren eingestellt hat.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf Folgendes hinweisen: Auch an diesem – wie das Bundesumweltministerium selbst zugibt – viel zu zögerlichen deutschen Verhalten in Bezug auf die Meldung von Schutzgebieten wird deutlich, wie wenig Akzeptanz das Natura 2000-Netzwerk in Deutschland findet.
Bundesminister Sigmar Gabriel findet nun auch lobende Worte für das Netzwerk.
Er bezeichnete Natura 2000 gar als „ein Juwel für den Naturschutz“.
Das Netz der im Rahmen der FFH-Richtlinie gemeldeten Gebiete umfasst mittlerweile ca. 10 % der Landfläche Deutschlands.
Damit wird § 3 des Bundesnaturschutzgesetzes erfüllt, wonach die Länder zur Einrichtung eines länderübergreifenden Biotopverbundes von mindestens 10 % der Landesfläche verpflichtet werden.
EU-weit sind etwa 25.000 FFH- und Vogelschutzgebiete gemeldet, die gemeinsam einen Anteil von etwa 20 % an der EU-Landfläche haben.
Die FFH-Gebiete machen EU-weit 12,2 % der Landfläche aus.
Dies lässt erkennen, dass andere Mitgliedstaaten der EU deutlich mehr Gebiete gemeldet haben – nicht zuletzt, um auf diese Weise eine höhere Fördersicherheit zu erreichen.
Spanien beispielsweise hat über 22 % seiner Landfläche als FFH-Gebiete gemeldet. Bei Slowenien liegt der Anteil sogar bei über 31 %.
Die Akzeptanz von Natura 2000 ist in diesen Ländern ungleich höher.
Die Vorteile, die das Biotop-Netzwerk mit sich bringt, werden viel deutlicher gesehen. An dieser Stelle ist in Deutschland noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Finanzierung von Natura 2000
Doch woher stammen die für Natura 2000 aufgewendeten Mittel?
Die Europäische Kommission schätzt, dass jährlich etwa 6,1 Milliarden Euro erforderlich sind, um das Natura 2000-Netz zu finanzieren.
Diese Mittel stammen hauptsächlich aus den Fonds für ländliche Entwicklung, aus den Strukturfonds, dem Fischereifonds und dem LIFE PLUS-Programm. Darüber hinaus können auch aus dem Europäischen Sozialfonds Arbeitsförderungsmaßnahmen zugunsten von Natura 2000 finanziert werden. Die Europäische Union kann jedoch die Finanzierung von Natura 2000 nicht vollständig abdecken, weshalb eine Kofinanzierung aus nationalen Mitteln notwendig ist.
Genau heute vor einer Woche wurde im Europäischen Parlament in zweiter Lesung über den Finanzrahmen von LIFE+ für die kommenden sieben Jahre abgestimmt.
LIFE+ ist ein Förderinstrument der EU, das speziell für die Finanzierung von Umweltprogrammen eingerichtet wurde.
In Bezug auf Natura 2000 wird LIFE+ insbesondere für die Finanzierung der Managementpläne für die Schutzgebiete herangezogen.
Bei der Abstimmung beschloss das Europäische Parlament, mindestens 55 % der Haushaltsmittel aus LIFE+ für Maßnahmen zum Erhalt der Natur und der Artenvielfalt zu verwenden.
Der Ratsposition, in Zukunft 80 % der Finanzmittel durch die Mitgliedstaaten verwalten zu lassen, wurde bei dieser Abstimmung des Parlaments eine Absage erteilt.
Dies hätte einen Rückschritt in Bezug auf die europäische Dimension des Naturschutzes bedeutet.
Das Europäische Parlament konnte sich hier jedoch durchsetzen. Betonen möchte ich aber, dass wir das Programm LIFE+ nicht generell ablehnen, sondern sehr begrüßen!
Wir sind nur gegen die Änderungen durch den Rat.

Änderungsvorschläge und Ausblick
Abschließend möchte ich nochmals einen Ausblick geben in Bezug auf das weitere Verfahren und den Umgang mit Natura 2000 und der FFH-Richtlinie. Aufgrund der dargelegten Probleme, die vor allem im Zusammenhang mit der EuGH-Rechtsprechung zu sehen sind, wird immer häufiger der Wunsch laut, die europäischen Naturschutzrichtlinien zu novellieren.
Ein solches Vorhaben ist aus meiner Sicht zu begrüßen.
Dabei wird vor allem geplant, die FFH- und Vogelschutzrichtlinie zu einer einheitlichen Natura 2000-Richtlinie zusammenzuführen.
Mit der neuen Richtlinie muss dann meiner Meinung nach auch die Einbeziehung der Betroffenen im Vorfeld der Auswahl und Festsetzung von Schutzgebieten verbessert werden.
Dies hätte zur Folge, dass die Ausweisung von Schutzgebieten den wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen an den Raum stärker gerecht wird. Damit würde sicherlich auch mehr Akzeptanz für Natura 2000 in Deutschland erreicht.
Weiterhin muss meiner Ansicht nach ein vollzugstauglicher Absichtsbegriff eingeführt werden.
Dieser sollte auf die gezielte Beeinträchtigung von Tieren und Pflanzen beschränkt werden.
Eine zufällige oder nicht gewollte Beeinträchtigung geschützter Arten im Rahmen der täglichen Bewirtschaftung nach guter fachlicher Praxis darf nicht zu Lasten der Bewirtschafter gehen.
Die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament setzt sich für eine Änderung der bestehenden Regelungen ein und wollte die Revision – wie bereits erwähnt – auf die Agenda der bevorstehenden deutschen Ratspräsidentschaft setzen. Der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel scheut sich jedoch vor diesem hochkomplexen Thema, weshalb eine prioritäte Behandlung in dem deutschen Präsidentschaftshalbjahr leider nicht zu erwarten ist.
Im Jahr 2007 müssen die Mitgliedstaaten der EU nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie aber Berichte zum Stand der Umsetzung der Richtlinie vorlegen. Aufgrund der Berichte wird dann von der Europäischen Kommission eingehend geprüft, ob die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen die Anforderungen der Naturschutzrichtlinien erfüllen.
Daraufhin ist für 2008 ein Bericht der Kommission zu erwarten, in dem die Erfolge und Probleme bei der Durchsetzung von Natura 2000 thematisiert werden. Für 2010 ist von Seiten der Europäischen Kommission eventuell eine Revision der Richtlinie geplant.
Die CDU/CSU-Gruppe wird diese Revision vorantreiben und wir werden dafür kämpfen, unsere Ziele auch im Sinne des Naturschutzes und der Akzeptanz der FFH-Richtlinie zu erreichen.
Dabei müssen wir uns immer das Ziel der FFH Richtlinie vor Augen führen: Die biologische Artenvielfalt soll erhalten bleiben.
Eine einmal ausgestorbene Art kann nichts und niemand wieder zurückbringen. Die EU hat sich daher auf die Fahnen geschrieben, bis 2010 den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.
Dafür brauchen wir ein funktionierendes und akzeptiertes Natura 2000, das den Ausgleich zwischen Natur und Wirtschaft findet.
Dies wird mein Ziel im weiteren Verlauf der Diskussionen um die Fortschreibung von Natura 2000 sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.