Die modernen Kriege machen viele Menschen unglücklich, solange sie dauern, und niemand glücklich, wenn sie vorüber sind.
Johann Wolfgang von Goethe stellte dies fest.
200 Jahre, zwei unerbittliche Weltkriege und einen Kalten Krieg später ist dieses Zitat leider immer noch aktuell.
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Baumgartl, liebe Edeltraud,
Verehrter Herr Vorsitzender Krier,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
es ist mir eine Ehre, heute an diesem besonderen Tag zu Ihnen sprechen zu können.
Die Erinnerung an das Leid kriegerischer Auseinandersetzungen ist eine wichtige Aufgabe.
Menschen neigen dazu, in friedlichen Zeiten Unangenehmes zu verdrängen und zu vergessen, wie wichtig der Friede ist.
Mit – und in – der Europäischen Union ist der Friede heute für uns eine Selbstverständlichkeit.
Deshalb übernehmen die Kriegsgräber und der Bund der Vertriebenen eine sehr wichtige Aufgabe der Erinnerung in unserer Gesellschaft.
Für Ihr Ehrenamt möchte ich Ihnen daher zu allererst ganz herzlich danken.
Wir begehen heute den Volkstrauertag, einen der „stillen Tage“, wir denken an die Kriegstoten und die Opfer von Gewaltherrschaften.
Die vergangene Woche war eine Woche, in der europaweit, gar weltweit, an die Gräuel und das Leid der Vergangenheit erinnert wurde.
Vielleicht haben Sie auch die Feier am Brandenburger Tor mitverfolgt oder gesehen, wie sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am Arc de Triomphe die Hände reichten.
Es wurde an zwei Weltkriege und die Folgen dieser beiden Kriege erinnert.
Es ist kaum zu glauben, dass die Menschheit, dass vor allem Europa, in einem Jahrhundert so viel Leid verursacht und ertragen hat.
Dass so viele Menschen ins Unglück, in die Armut und in die Hoffnungslosigkeit gerissen wurden.
Und so viele Menschen in einen sinnlosen Tod.
Der 11. November, der vor einigen Tagen begangen wurde, ist in vielen Staaten der Welt ein hoher Feiertag.
Man feiert das Ende des Ersten Weltkriegs.
Damals, am 11. November um 5.00 Uhr früh, unterzeichneten Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Deutschland in einem Eisenbahnwaggon den Waffenstillstand von Compiègne.
Der Erste Weltkrieg war der erste Krieg, der mit massivem Materialeinsatz, mit Panzern, Flugzeugen und Luftschiffen geführt wurde, zum ersten Mal wurden Massenvernichtungswaffen und Giftgas verwendet.
Kriege, meine Damen und Herren, Kriege waren immer schrecklich.
Aber dieser erste Weltkrieg zeigte der Menschheit ein noch grausameres, unbarmherzigeres Antlitz als die Kriege zuvor.
In Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ wird deutlich, welch Gräuel dieser Krieg damals mit sich gebracht hat.
Menschen haben dem Tod ins Auge gesehen, haben so viele schlimme Dinge erlebt. dass sie mit ihrem Leben haderten.
Der Erste Weltkrieg hinterließ einen Scherbenhaufen in Europa und die Menschen in tiefer Erschütterung.
Doch ein Zweiter Weltkrieg brachte wieder Tod und Elend über Europa.
Staaten, die heute friedlich zusammenleben und von gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen profitieren, führten noch vor 65 Jahren einen erbarmungslosen Krieg gegeneinander.
Sie rissen einen gesamten Kontinent, die ganze Welt in eine kriegerische Auseinandersetzung.
Damals wurden ganze Familien auseinander gerissen.
Junge Menschen in ganz Europa wurden der Kindheit und der Jugend beraubt.
Männer als Soldaten an die Front geschickt.
Viele kehrten nie wieder in die Arme ihrer Lieben zurück.
Unzählige Menschen wurden ihrer Freiheit und ihrer Heimat beraubt.
Viele verbrachten Jahre in Gefangenschaft, in Frankreich, in Russland oder anderswo fernab der Heimat.
Andere mussten ihr Hab und Gut zurück lassen und in eine ungewisse Zukunft aufbrechen.
Ich selbst durfte meinen Großvater nie kennenlernen, da er im Krieg verletzt wurde und später daran gestorben ist.
Unzählige Frauen mussten in Fabriken hart schuften oder ganze Bauernhöfe allein bewirtschaften, um ihre Kinder zu ernähren.
Meine eigene Großmutter musste schließlich alleine drei kleine Kinder großziehen.
Manche von Ihnen, die sie heute hier sind, gehören zu der Generation in Deutschland, die die Gräuel des Krieges am eigenen Leib erfahren und ertragen musste oder aus Erzählungen noch zeitnah vermittelt bekamen.
Der Zweite Weltkrieg löste in Europa eine unglaubliche Vertreibungswelle aus.
Ich möchte heute auch an die Opfer dieser Vertreibungen erinnern, an jene, die auf dem Weg aus dem Osten in den Westen gestorben sind.
Vor Kälte, vor Hunger, vor Verzweiflung.
Ich möchte an jene erinnern, die sich aufmachten in eine ungewisse Zukunft, die aus dem Nichts einen Neubeginn schaffen mussten.
Viele Soldaten, meine Damen und Herren, sind nie wieder zu ihren Familien zurückgekehrt.
Sie haben ihr Leben auf den Schlachtfeldern von Frankreich, von Russland, Afrika, – fernab der Heimat – verloren.
Die Kriegsgräberfürsorge übernimmt die immens wichtige Aufgabe, etwa 2 Millionen Kriegsgräber zu pflegen.
Sie schafft so einen würdigen Ort der Erinnerung an diese Menschen.
Ich selbst durfte als Schulkind für die Kriegsgräber sammeln.
Im Namen aller möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie „erinnern gegen das Vergessen“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele von Ihnen gehören zu der Generation in Deutschland, die durch ungeheure Anstrengung, Geduld und Kraft unser Land wieder mit aufgebaut hat.
Zu der Generation, die den Versöhnungsprozess in Europa begonnen hat.
Der 18. November, von dem ich zuvor sprach, hat in unserem Nachbarland Frankreich einen besonderen Stellenwert, für die Franzosen ist er der wichtigste Gedenktag.
Frankreich und Deutschland – diese beiden Länder waren lange Jahre, lange Jahrhunderte, Erbfeinde.
In diesem Jahr hat Nicolas Sarkozy Angela Merkel zu diesem Gedenktag in unser Nachbarland eingeladen.
Dies ist eine besondere Geste.
Es war das erste Mal, dass ein Regierungschef des einstigen Feindeslandes an dem Gedenken teilnahm.
Die deutsch-französische Aussöhnung, meine Damen und Herren, ist ein Grundstein der Europäischen Union.
Merkel und Sarkozy haben den 11. November nicht nur im Gedenken an die vielen Toten des Ersten Weltkriegs verbracht.
Fortan soll der 11. November auch als Tag der deutsch-französischen Versöhnung begangen werden.
Meine Damen und Herren,
das Jahr 2009 ist für uns Deutsche etwas ganz Besonderes.
Vor 60 Jahren noch sprach man in Europa von tief verwurzelten, ewigen Feindschaften, von zwischenstaatlichen Beziehungen, die nicht wieder herzustellen seien.
Vor 20 Jahren noch bestimmte ein harter, langer und bitterer Kalter Krieg, ein Eiserner Vorhang, der mitten durch Deutschland, mitten durch so manche Familien ging, die Weltordnung.
In der vergangenen Woche feierten wir den zwanzigsten Jahrestag der Grenzöffnung zwischen Ost- und Westdeutschland, wir feierten den Fall der Mauer, der schließlich zum Fall des Eisernen Vorhangs, zum Ende des Ost-West-Konflikts und des Kalten Krieges führte.
In den letzten Tagen waren die Zeitungen voll von den Geschichten von damals, im Fernsehen wurden in diesen Tagen die Bilder der Wende gezeigt.
Die Bilder von Menschen, die sich in den Armen lagen.
Die kaum fassen konnten, was da gerade geschah.
Noch einige Tage vorher war ein Ereignis wie dieses undenkbar gewesen.
Über Jahrzehnte hinweg waren Freunde, Familien und Bekannte voneinander getrennt.
Oft, obwohl sie gar nicht weit voneinander entfernt wohnten.
Eine Mauer teilte ein Land und viele Herzen.
Wir alle sind froh, dass diese Zeit der Teilung Deutschlands und der Teilung Europas heute überwunden ist.
Dieses Ereignis hat es möglich gemacht, dass wir heute eine Europäische Union der 27 haben, in der west- und osteuropäische Staaten zusammenarbeiten.
Jeden Tag lernen wir voneinander, wir lernen von unseren verschiedenen Mentalitäten, unseren Geschichten, der getrennten Vergangenheit.
Heute gestalten wir zusammen eine gemeinsame Zukunft.
Die Zukunft Europas, die Zukunft der Europäischen Union.
In Europa herrscht heute Friede.
Leider ist dies nicht für alle Staaten, alle Kontinente dieser Welt der Fall.
Auch heute noch gibt es viele Orte, an denen Menschen sich bekämpfen.
Denken Sie nur an den Irak oder an Afghanistan.
Auch an diese Menschen möchten wir heute denken.
An Bundeswehrsoldaten, die für Monate in Afghanistan sind.
Sie helfen bei der Stabilisierung und beim Wiederaufbau eines Landes, einer jungen Demokratie.
Sie leisten im Namen ihres Vaterlands eine wichtige Aufgabe für das nordatlantische Bündnis.
Auch unser neuer Verteidigungsminister zu Guttenberg sagte kürzlich, er könne die Soldaten verstehen und nachvollziehen, wie sie sich fühlen.
Er hat sich somit klar hinter unsere Soldaten gestellt.
Meine Damen und Herren,
Am Volkstrauertag denken wir an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir denken an Menschen, die als Soldaten, als Vertriebene, Flüchtlinge, Gefangene und Zivilisten im Krieg ihr Leben ließen.
Wir denken an die Opfer von Verfolgungen.
Wir denken an die Opfer von Terrorismus, an die Opfer von Hass und Gewalt.
Wir trauern mit den Angehörigen.
Meine Damen und Herren,
Ich wünsche mir von Herzen, dass es auch anderen Kontinenten irgendwann so gut geht, wie heute Europa.
Ich wünsche mir – auch, wenn ich weiß, dass dies ein sehr frommer Wunsch ist – dass wir schon bald in einer friedlichen Welt leben, dass in der ganzen Welt – so wie in Europa – Frieden herrscht.
Der mächtigste Mann der Welt und Friedensnobelpreisträger Barack Obama sagte im Frühjahr auf der Prager Burg:
„Ich möchte eine Welt ohne Atomwaffen“.
Zur Erreichung dieses hohen Ziels brauchen wir aber nicht nur Worte sondern Taten.
Sie, die Ehrenamtlichen, die Sie an den Krieg und das Leid erinnern sind bereits auf dem richtigen Weg und gehen mit gutem Beispiel voran.
Dafür möchte ich Ihnen nochmals danken.