Festrede zum Neujahrsempfang des CSU Ortsverband Lindleinsmühle

Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Liebe Freunde.
Ich danke Dir, lieber Andreas, ganz herzlich für die Einladung zu Eurem Neujahrsempfang.
Ich bin gerne heute hierher gekommen.
Ein neues Jahr hat begonnen.
Dies ist traditionell eine schöne Gelegenheit, auf Vergangenes zurück- und auf Zukünftiges vorauszuschauen.
Und weil Traditionen eine gute Einrichtung sind, werde auch ich heute das Jahr 2005 politisch Revue passieren lassen und einen Ausblick auf dieses noch junge Jahr 2006 geben.
Keine Angst, ich möchte Sie nicht über Gebühr beanspruchen und werde daher nur einige wichtige Punkte aus diesem ereignisreichen Jahr herausgreifen.

Persönliche Arbeit
Lassen Sie mich jedoch zuerst mit etwas Persönlichem beginnen.
Das Jahr 2005 war das erste Jahr, das ich von Januar bis Dezember als Mandatsträgerin im Europäischen Parlament erlebt habe.
Ich habe mein Büro umstrukturiert und mein Serviceangebot ausgebaut.
Dies soll Ihnen und allen Bürgerinnen und Bürgern in Unterfranken einen noch schnelleren und direkteren Draht zu mir und zur europäischen Ebene ermöglichen.
Meine neue Homepage und mein neuer Newsletter sowie zahlreiche weitere Angebote erlauben den Menschen hier in der Region einen Einblick in meine Arbeit und die Politik der Europäischen Union.
Das ist mir besonders wichtig.
Denn Sie haben mich als Kandidatin vorgeschlagen und mit Ihrer Stimme letztlich auch gewählt.
Sie haben mir die Verantwortung übertragen.
Ich habe diese Verantwortung übernommen und möchte auch in diesem Jahr und in vielen kommenden Jahren weiterhin Ihre Anwältin auf europäischer Ebene sein.
Über 500 Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern aus Unterfranken und Bayern sind beantwortet worden, über 50 Besuchergruppen haben über mich das Europäische Parlament in Brüssel oder Straßburg besuchen können.
Sie sehen: Europa interessiert die Menschen.
Deshalb möchte ich Ihnen kurz meine Arbeit im Allgemeinen vorstellen.

Ich war bisher Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
Ab nächster Woche werde ich nun auch noch Mitglied im Ausschuss für den Binnenmarkt und Verbraucherschutz.
Dies ist eine große Anerkennung von Seiten meiner Kollegen, dass ich dann die Verantwortung für drei wichtige Ausschüsse trage.
Sitzungen finden immer in Brüssel oder Straßburg statt.
Insgesamt sind es 44 Sitzungswochen im Jahr – das sind doppelt so viele wie im Bundestag.
12 dieser Sitzungen finden in Straßburg statt.
Neben der Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in den Ausschüssen sind auch Netzwerke sehr wichtig.
Die CSU-Abgeordneten und auch die CDU/CSU-Abgeordneten treffen sich regelmäßig, um zu beraten und gemeinsame Standpunkte festzulegen.
Darüber hinaus bin ich Mitglied der Jungen Gruppe, in der eine Vielzahl junger konservativer Abgeordnete aus fast allen EU-Staaten zusammengeschlossen ist.

Netzwerke sind aber auch hier in Unterfranken wichtig.
Daher habe ich – damals noch mit Unterstützung des ehemaligen Europaministers Eberhard Sinner – zu Beginn meines Mandats die Arbeitsgemeinschaft Europa ins Leben gerufen.
In dieser Gruppe sind Vertreter aller wichtiger Wirtschaftszweige, der Kommunen, der Politik und anderer Verbände zusammengeschlossen.
Die AG kommt mehrmals im Jahr zusammen, um über aktuelle Entwicklungen auf europäischer Ebene zu diskutieren.
Diese Rückbindung an die Region ist für mich sehr wichtig.
Denn die Unternehmer und allgemein die Menschen hier vor Ort wissen am besten, wie sich eine europäische Richtlinie auswirkt.
Die Anregungen, die ich aus der AG Europa bekomme, kann ich direkt in meine parlamentarische Arbeit einfließen lassen.
So erreichen wir eine direkte und schnelle Vernetzung der Region Unterfranken mit der europäischen Ebene.
Und es gab im vergangenen Jahr eine Reihe von erfreulichen Entscheidungen, die deutlich gemacht haben, dass sich diese Vernetzung und der Einsatz für Unterfranken generell lohnen.
Bei wichtigen Gesetzesprojekten wie der Revision der Arbeitszeitrichtlinie, der Chemikalienverordnung REACh oder der sogenannten Sonnenscheinrichtlinie konnten Ergebnisse erzielt werden, die Arbeitsplätze in Unterfranken sichern und gleichzeitig den Gesundheits- und Umweltschutz auch in Franken verbessern.

Arbeitszeitrichtlinie
Nehmen wir die Revision der Arbeitszeitrichtlinie.
Dabei geht es darum, ob Bereitschaftsdienste in Zukunft komplett oder nur teilweise als Arbeitszeit angerechnet werden sollen.
Diese Regelung betrifft in erster Linie Ärzte und Pflegepersonal, aber auch Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Sozialarbeiter zum Beispiel in SOS-Kinderdörfern.
Ich setze mich dabei für eine sachgerechte Differenzierung ein.
Die Zeit, die tatsächlich gearbeitet wird, soll als Arbeitszeit gelten.
Um das Ganze praktikabel zu gestalten, habe ich vorgeschlagen, ein Pauschalisierungsmodell einzuführen.
So etwas gibt es in Krankenhäusern zum Teil heute schon.
Da bekommt ein Anästhesist, der im Schnitt zu 30 % in seinen Diensten ausgelastet ist auch 30 % vergütet, ein Chirurg, der 45 % ausgelastet ist, entsprechend dann 45 % Vergütung.
Die Kommission hat mein Modell nun übernommen und dem Rat vorgelegt.
Die britische Ratspräsidentschaft hat den Vorschlag aufgegriffen und in ihren Kompromissvorschlag eingearbeitet.
Mit Ausnahme eines einzigen Landes – nämlich Belgien – ist mein Modell auf Zuspruch gestoßen.
Der gesamte Vorschlag konnte bisher wegen Uneinigkeit bezüglich eines anderen Punktes noch nicht verabschiedet werden.
Ich bin aber zuversichtlich, dass ich in diesem Jahr meine Ansätze durchsetzen kann, die für die flächendeckende medizinische Versorgung der Menschen in Unterfranken sehr wichtig sind.
Kommt es nämlich nicht zu einem sachgerechten Ausgleich, dann ist die Existenz einer Reihe von kleinen Kreiskrankenhäusern bedroht.

Optische Strahlung
Bei zwei anderen Themen haben wir ebenfalls Erfolge für Unterfranken erreichen können: Sonnenschein und REACH.
Die sogenannte Sonnenscheinrichtlinie wurde gekippt.
Das hat mich besonders gefreut, denn es waren meine Anträge, die letztlich zum Erfolg geführt haben.
Der Grundgedanke der Richtlinie, Arbeitnehmer vor den Gefahren optischer Strahlen zu schützen, ist gut.
Insbesondere gilt dies für die künstlichen optischen Strahlen wie Laser und Infrarot.
Aber mit einer Regelung zu den Sonnenstrahlen ist die Richtlinie weit über das Ziel hinausgeschossen.
Im Ergebnis konnte ich nun verhindern, dass es zwingende Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern vor Sonnenstrahlen gibt – also kein Pflichteincremen für Bauarbeiter und Biergartenbedienungen.
Das ist schließlich eine Frage der Eigenverantwortung.
Gleichzeitig konnten wir im Bereich der künstlichen optischen Strahlen den Schutz für Arbeitnehmer in der EU verbessern und stärken.
Ein Beispiel dafür, dass man sinnvolle Regelungen auch ohne bürokratischen Blödsinn durchsetzen kann.

REACH
Auch bei der neuen Chemikalienverordnung REACH konnten wir Verbraucher- und Wirtschaftsinteressen zu einem sehr guten Ausgleich zusammenführen.
Gemeinsam mit einigen anderen Kollegen aus der CDU/CSU-Gruppe habe ich mich für eine Regelung eingesetzt, die den Verbraucherschutz verbessert und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der unterfränkischen und bayerischen Chemieindustrie nicht zu stark beeinträchtigt.
Es geht bei dieser Verordnung darum, chemische Stoffe in Europa zu registrieren, die gefährlichen zu identifizieren und gegebenenfalls zu ersetzen.
Wir konnten erreichen, dass die gefährlichsten Stoffe zuerst registriert werden müssen und dass Stoffe wie Gips oder Zement, die in der Natur vorkommen, nicht unter REACH fallen.
Das ist meiner Meinung nach ein sehr vernünftiger Ansatz, der in Unterfranken bei Unternehmen wie Knauf, Hemmelrath, Acordis, Schwenk, SKF und vielen anderen Arbeitsplätze sichert und gleichzeitig das Umwelt- und Verbraucherschutzniveau enorm anhebt.
Sie sehen daran, dass auf EU-Ebene Regelungen erlassen werden, die einen positiven Effekt auch für Unterfranken haben.

GMO Zucker
Ein weiteres Thema, das uns Unterfranken im vergangenen Jahr sehr beschäftigt hat, war die Reform der Zuckermarktordnung.
Dies war ein sehr kontrovers diskutiertes Thema.
Und ich verstehe sehr gut, dass viele Menschen – insbesondere Landwirte deswegen – besorgt waren.
Leider besitzt das Europäische Parlament im Agrarbereich kein Mitspracherecht, so dass wir nicht mitentscheiden konnten.
Aber unser vehementer Kampf bei Rat und Kommission haben etwas genutzt.
Ich möchte hier einmal in aller Deutlichkeit sagen, dass allen Unkenrufen zum Trotz die nun beschlossene Reform einen Erfolg für unsere einheimischen Zuckerrübenbauern darstellt.
Denn die Preissenkungen fallen um einiges geringer aus als geplant.
Und die Ausgleichszahlungen fallen um einiges höher aus als geplant.
Vor dem Hintergrund, dass eine Reform unumgänglich war, ist dies meiner Meinung nach eine gute Lösung.
Und wir sollten uns Franken auch nicht schlechter machen, als wir sind.
Unsere Zuckerwirtschaft gehört zu den wettbewerbsfähigsten in ganz Europa.
Wir können mit diesem Reformkompromiss ganz gut leben, davon bin ich überzeugt.
Auch die Zusammenarbeit mit unserem neuen Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hat hier hervorragend funktioniert.
Innerhalb kürzester Zeit hat er sich in diese schwierige Thematik eingearbeitet.
Seinen nachdrücklichen Verhandlungen ist es zuzuschreiben, dass die Reform um einiges besser für Unterfranken ausfällt als zunächst befürchtet.

Türkei
Und ein weiteres sehr schwieriges Thema möchte ich ansprechen, denn es hat einen großen Einfluss auf die EU-Politik gehabt: der Türkeibeitritt.
Wie Sie alle wissen, haben CDU und CSU von Anfang an vehement gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gekämpft.
Unser Ziel war und – das betone ich ausdrücklich – ist es heute noch, eine privilegierte Partnerschaft anzustreben.
Aber selbst innerhalb unserer eigenen Fraktion, der EVP, haben wir nur eine ganz knappe Mehrheit für diese Lösung erreichen können.
Demokratie ist eben kein Wunschkonzert.
Und uns haben schlichtweg die notwendigen Mehrheiten gefehlt.
Aber unsere starke Haltung hat dennoch etwas bewirkt.
Denn in den Katalog, der sozusagen die Spielregeln für die Beitrittsverhandlungen definiert, wurde aufgenommen, dass die Aufnahmefähigkeit der EU eine gewichtige Rolle spielen soll.
Damit konnten wir durchsetzen, dass es keinen Automatismus geben wird.
Das Ende der Verhandlungen wird definitiv nicht gleich eine Aufnahme bedeuten.
Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin steht dazu – ich zitiere:
„Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiter entwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden.
Ich denke, dass dies einen großen Fortschritt im Verhältnis zu dieser Thematik darstellt.
Außerdem müssen einige Staaten wie zum Beispiel Frankreich per Volksentscheid über eine Aufnahme abstimmen.
Und ich denke, dass spätestens diese Hürde eine Vollmitgliedschaft der Türkei verhindern kann.

Verfassung
Und auf große Fortschritte hoffe ich 2006 auch bei einem anderen Thema: dem Europäischen Verfassungsvertrag.
Der Entwurf, der uns 2005 vorlag, ist mit dem NEIN aus Frankreich und den Niederlanden gescheitert.
Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass auch das Projekt einer europäischen Verfassung gescheitert ist.
Denn wir brauchen eine Reform der EU.
Wir brauchen klarere Kompetenzabgrenzungen, ein transparenteres Institutionengeflecht, mehr Bürgerbeteiligung und eine Stärkung des Europäischen Parlaments – Ihrer Vertreter in Europa.
Genau dies hätte die Verfassung bringen sollen.
Und ich freue mich, dass die österreichische Ratspräsidentschaft angekündigt hat, den Verfassungsprozess neu beleben zu wollen.
Die Verfassungskrise der EU hat uns auch eine große europäische Öffentlichkeit beschert.
Die Menschen haben endlich einmal länger als ein oder zwei Tage über Europa und die EU diskutiert.
Das ist wichtig.
Denn Europa funktioniert nur, wenn die Menschen mitreden.
Deshalb bin ich so oft wie möglich in Unterfranken vor Ort unterwegs.
Weil ich Europa den Menschen näher bringen möchte.
Weil mich Ihre Sorgen beschäftigen.
Und ich bin überzeugt, dass wir in Europa eine Verfassung brauchen und auch bekommen werden.
Ich werde auf jeden Fall dafür eintreten und Ihnen und allen unterfränkischen Bürgerinnen und Bürger die Vorteile erklären und nahe bringen.

Ausblick 2006
Was wird uns dieses neue Jahr also bringen?
Außer dem erhofften Aufschwung natürlich.
Wie gesagt, hoffe ich auf eine Wiederbelebung des Verfassungsprozesses und auf einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie.
Aber auch neue Herausforderungen warten.
So wurde ich von meiner Fraktion mit drei Berichten zu wichtigen europäischen Gesetzesprojekten betraut.
Ich werde sowohl für eine neue Richtlinie zur PKW-Besteuerung als auch für die neue Luftreinhalterichtlinie und einen Bericht zu Nadelstichverletzungen zuständig sein
Nach einem Jahr mit Rekordbenzinpreisen und der Feinstaubdiskussion sind diese beiden Themen brandaktuell und werden Auswirkungen auf jeden einzelnen Menschen in Europa haben.
Die Richtlinie zur PKW-Besteuerung soll die Kriterien für die Besteuerung von Fahrzeugen innerhalb der EU vereinheitlichen und verstärkt umweltpolitische Gesichtspunkte wie CO2-Ausstoß in die steuerliche Bewertung integrieren.
Die Luftreinhalterichtlinie soll zur Verbesserung der Gesundheits- und Lebensbedingungen in unseren Städten und Gemeinden beitragen.
Hier gilt es, einen sachgerechten Ausgleich zwischen der Handlungsfähigkeit der Kommunen und den Zielen des Gesundheits- und Umweltschutzes zu erreichen.
Bei dem Bericht über Nadelstichverletzungen geht es darum, wie die Gefahr der Übertragung von Krankheiten durch Verletzungen mit Nadeln in Krankenhäusern, Arztpraxen und im Rettungsdienst verringert werden kann.
Ich freue mich, dass man mir für diese interessanten und wichtigen Themen die Verantwortung übertragen hat.

Abschluss
Wie Sie sehen können, ist auf der europäischen Ebene viel los.
Wir werden interessante Diskussionen führen und weitreichende Entscheidungen treffen.
Ich freue mich über Ihr Interesse und bitte Sie: Verlieren Sie dieses Interesse nicht.
Europa geht uns alle etwas an.
Ich verspreche Ihnen, auch in diesem Jahr wieder für Sie da zu sein.
Sie können über meine Büros oder auch direkt gerne auf mich zukommen.
Ich würde mich freuen, Sie auch einmal in Brüssel oder Straßburg begrüßen zu dürfen.
Zuletzt bleibt mir – abseits von allem Politischen – noch das Wichtigste zu sagen:
Ich wünsche Ihnen allen für dieses neue Jahr viel Glück im Privaten, viel Erfolg in Arbeit und Beruf, Gesundheit und Gottes Segen.
Vielen Dank.