"Die deutsche Ratspräsidentschaft" - Rede anlässlich des Adventsseminars der Jungen Europäer Bayern

Sehr geehrter Landesgeschäftsführer, lieber Herr Lindinger.
Liebe Michaela Biermayer.
Lieber Arno Makowka.
Liebe Junge Europäer.

Ich freue mich darüber, heute an ihrem Adventsseminar teilnehmen zu können. Europa lebt davon, dass sich Menschen für das historisch einmalige Projekt namens Europäische Union einsetzen.
Ich halte die Arbeit der Jungen Europäer für wichtig.
Außerdem bin ich selbst Mitglied bei den Jungen Europäern.
Aus diesem Grund bin ich sehr gern gekommen, um Ihnen einen Einblick in meine Arbeit zu geben und mit Ihnen über die anstehende deutsche Ratspräsidentschaft zu sprechen.

Am 1. Januar 2007 übernimmt Deutschland den Vorsitz im Europäischen Rat.
Im Hinblick auf die Diskussion über den Verfassungsvertrag, die Erweiterung der EU und die finanzielle Vorausschau müssen entscheidende Fragen neu gestellt werden:
Welche Union wollen wir?
Welche Kompetenzen hat die Europäische Union?
Wo liegen die Grenzen Europas?
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, sich diesen Aufgaben zu stellen, obwohl die Bedingungen hierfür ungünstig sind.
Denn darüber, welche Gesetzesvorhaben beschlossen werden sollen, kann die Ratspräsidentschaft nicht entscheiden.
Momentan befinden wir uns in einer Phase, in der prominente Gesetzgebungsverfahren, wie REACH oder die Dienstleistungsrichtlinie, weitgehend abgeschlossen sind.
Deshalb hat Deutschland während der Ratspräsidentschaft einen gewissen Spielraum für grundsätzliche Fragen.
Die zwei Europäischen Gipfeltreffen im März und Juni nächsten Jahres werden sich schwerpunktmäßig mit der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Zukunft Europas und mit dem EU-Verfassungsvertrag befassen.
Weiterhin kommt ab der deutschen Ratspräsidentschaft ein neues Konzept zur Anwendung.
So ist das 18-Monats-Programm der drei Präsidentschaften Deutschland, Portugal und Slowenien die Grundlage des Programms der deutschen EU-Präsidentschaft.

Für uns in Bayern richtet sich das Augenmerk natürlich besonders auf Bundeswirtschaftsminister Michael Glos.
Der Wirtschaftsminister hat eine Reihe von Querschnittsaufgaben, so ist er für die Fortführung der Lissabon-Strategie, der Regionalpolitik und der besseren Rechtsetzung zuständig.
Er wird insgesamt 5 Ministerräte leiten.
Zahlreiche Konferenzen und Ministerrats-Tagungen finden auch in Bayern statt.
Dies ist eine gute Gelegenheit, unsere Heimat europaweit zu präsentieren.

Die deutsche Ratspräsidentschaft hat sich hohe Ziele gesteckt.
Als eine der wichtigsten Aufgaben will die Bundesregierung den ins Stocken geratenen Prozess der Verfassungsgebung weiter vorantreiben.
Der Europäische Rat hat die künftige deutsche Ratspräsidentschaft in Juni dieses Jahres damit beauftragt, in der ersten Jahreshälfte 2007 ausführliche Konsultationen mit den Mitgliedstaaten zu führen und dem Europäischen Rat einen Bericht vorzulegen.
Dieser Bericht soll Lösungsansätze bieten, wie der Reformprozess der EU fortgesetzt werden kann.
Vor dem Hintergrund der Globalisierung muss Europa seine wirtschaftliche Dynamik wiedergewinnen, um Wachstum und Beschäftigung dauerhaft zu sichern.
Europa ist – gemessen an seiner Wirtschaftskraft – der größte Binnenmarkt der Welt.
Es gilt, das Potenzial dieses Marktes zur Steigerung des Wachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen zu nutzen.
Deshalb will die Bundesregierung gemeinsam mit der Kommission Maßnahmen zur Stärkung Europas im globalen Kontext ergreifen, um den europäischen Binnenmarkt zu vollenden.

Konkret ist geplant, die Liberalisierung des europäischen Marktes für Telekommunikations- und Postdienstleistungen voranzutreiben.
Dazu gehört auch die Abschaffung der Roaming-Gebühren, um eine europaweit preisgünstigere Nutzung des Mobiltelefons zu erreichen.
Weiterhin will Deutschland gemeinsam mit der portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft die Initiative „Bessere Rechtsetzung für Europa“ der vorangegangenen Präsidentschaften fortführen.
Damit sollen unnötige Bürokratiekosten abgebaut und die Rahmenbedingungen für europäische Unternehmen verbessert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Klimaschutz.
Der EU kommt bei der Bekämpfung des Klimawandels weltweit eine Vorreiterrolle zu.
Der deutsche Vorsitz wird sich deshalb für eine gemeinsame EU-Position für den internationalen Klimaschutz nach 2012 einsetzen.
Um Synergie-Effekte zu nutzen, will die Bundesregierung dieses Thema mit dem gleichzeitigen Vorsitz bei den G8-Staaten verknüpfen.
Für den Juni 2007 ist deshalb eine kombinierte Konferenz der Europäischen Union und der G8 geplant, die sich mit der Energieeffizienz beschäftigt.
Den Vorsitz dieser Konferenz wird der Bundeswirtschaftsminister Michael Glos inne haben.
Eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung ist ein entscheidender Faktor für die weitere Entwicklung Europas.
Sie zu gewährleisten, wird zunehmend schwieriger.
Die Endlichkeit fossiler Energieträger verbunden mit der weltweit wachsenden Nachfrage, die hohen Öl- und Gaspreise und die Auswirkungen des Klimawandels sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Deshalb rückt die deutsche Präsidentschaft dieses Thema in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und hat das ehrgeizige Ziel, beim Europäischen Rat im März einen ambitionierten Aktionsplan zur Energie zu verabschieden.

Persönlich begrüße ich das Ziel, die Regelungen zur Reduzierung von Schadstoffen, also die EURO 5 und EURO 6-Norm für PKW und LKW, voranzutreiben oder gar abzuschließen.
Die Bundesregierung hat es sich darüber hinaus zum Ziel gemacht, den Binnenmarkt für Gas und Strom bis zum 1. Juli 2007 zu vollenden.
Auch soll der Sektor der erneuerbaren Energien, insbesondere durch verstärkte Nutzung von Biomasse und nachwachsender Rohstoffe, mehr gefördert werden.
Darüber hinaus macht es die Globalisierung notwendig, dass Europa in energiepolitischen Fragen nach außen mit einer Stimme spricht, weshalb Maßnahmen zur besseren Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten geplant sind.

Auch im Bereich Forschung und Entwicklung hat sich die deutsche Ratspräsidentschaft ambitionierte Ziele gesetzt.
Sie will die Förderung von Innovationen im privaten wie im öffentlichen Bereich weiter vorantreiben.
Mit dem 7. Forschungsrahmenprogramm, das Anfang 2007 in Kraft tritt, ist diesbezüglich eine gute Ausgangslage gegeben.
Darüber hinaus ist geplant, eine Initiative zu starten, die sich mit dem Umgang mit geistigem Eigentum an öffentlichen Forschungseinrichtungen und Hochschulen befasst.
Damit soll auch die Zusammenarbeit von öffentlichen Forschungseinrichtungen und Hochschulen mit der Wirtschaft verbessert werden.
In diesem Zusammenhang wird sich der deutsche Vorsitz ebenfalls dafür einsetzen, dass berufliche Kompetenzen in Europa besser verglichen werden können.
Damit soll auch die Mobilität der Arbeitnehmer in Europa erhöht werden.
Aus dem gleichen Grund wird Deutschland die Arbeiten an der Richtlinie zur Übertragbarkeit von Betriebsrenten fortführen, wobei darauf geachtet wird, den Schutz der nationalen Betriebsrentensysteme zu wahren.

Die offenen Binnengrenzen in der EU bergen aber auch Gefahren in Form von Terrorismus, Organisierter Kriminalität sowie Drogen- und Menschenhandel. Deshalb ist eine verstärkte grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit im Rahmen von EUROPOL ein prioritäres Anliegen der Ratspräsidentschaft.
Dies alles sind große Herausforderungen, denen sich die deutsche Ratspräsidentschaft stellen wird.
Allerdings sind dem deutschen Vorsitz auch Grenzen gesetzt, im ersten Halbjahr 2007 stehen in Europa 11 Neuwahlen und der Wechsel von bedeutenden Führungspersönlichkeiten an.
Darüber hinaus bestehen institutionelle Schranken, die Ratspräsidentschaft dauert nur ein halbes Jahr.
Aus diesen Gründen besteht die Gefahr, dass die hohen Erwartungen, die an den deutschen Vorsitz geknüpft sind, nicht völlig erfüllt werden.

Das kommende Halbjahr bietet neben allen zu bewältigenden Aufgaben aber auch Anlass zu feiern.
Gleich am ersten Tag der deutschen Ratspräsidentschaft begrüßt die EU mit Bulgarien und Rumänien zwei neue Mitgliedsstaaten.
Darüber hinaus fällt das 50jährige Jubiläum der Römischen Verträge, mit denen 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft gegründet wurden, in das Halbjahr des deutschen Vorsitzes. Bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Berlin am 25. März soll in einem Festakt eine Erklärung verabschiedet werden, die die historisch einzigartige Erfolgsgeschichte der Europäischen Union würdigt.
Dieser Auszug aus dem Programm zeigt, dass sich die deutsche Ratspräsidentschaft viel vorgenommen hat.
Ich bin zuversichtlich, dass die Bundesregierung – trotz aller geschilderten Hindernisse – viele dieser ambitionierten Ziele auch erreichen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.