Keine Niedriglöhne durch die Hintertür zulassen / Dr. Anja Weisgerber (CSU) fordert Kommission auf, Parlamentsvotum zur Dienstleistungsrichtlinie zu respektieren

Schweinfurt/Brüssel. „Das Europäische Parlament ist die einzige direkt demokratisch legitimierte Institution der Europäischen Union. Es ist daher nicht hinnehmbar, wenn die Europäische Kommission über die Hintertür versucht, ein eindeutiges Parlamentsvotum zu hintergehen“, erklärt die unterfränkische Europaabgeordnete Dr. Anja Weisgerber (CSU). Hintergrund des Vorwurfs ist eine Mitteilung der EU-Kommission vom 4. April 2006, in der Leitlinien für die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen formuliert werden. „Der Inhalt dieser Leitlinien ist nahezu deckungsgleich mit Passagen des Entwurfs zur Dienstleistungsrichtlinie, die das Europäische Parlament mit eindeutiger Mehrheit aller großen Fraktionen aus der Richtlinie gestrichen hat“, wirft Weisgerber der Kommission nun vor, den Willen der parlamentarischen Mehrheit zu missachten.

Da das Europäische Parlament bei der Formulierung dieser Leitlinien kein Mitspracherecht hat, könnte die Kommission sich damit über die Entscheidung der EU-Volksvertreter hinwegsetzen. „Das darf nicht sein“, so Weisgerber deutlich. Die Kommission rechtfertigt ihre Vorgaben mit der Begründung, sie fasse nur Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Dienstleistungsfreiheit zusammen. Diese Urteile sind auf Grundlage des EG-Vertrags (Artikel 49) ergangen. Die Dienstleistungsrichtlinie als sekundärrechtliche Regelung geht Art. 49 EG in Zukunft aber vor. „Damit wird die rechtliche Situation in Zukunft deutlicher. Dies ist schließlich einer der Gründe für die Dienstleistungsrichtlinie“, erklärt die Europaabgeordnete. In die zukünftige Interpretation der Dienstleistungsfreiheit müsse mit einbezogen werden, dass sich das Europäische Parlament deutlich gegen derartige Regelungen ausgesprochen hat.

Mit den Leitlinien will die Kommission die Kontrollrechte der Mitgliedstaaten zum Arbeitnehmerschutz einschränken. Es würde dann schwerer zu kontrollieren, dass Arbeitgeber aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die Arbeitnehmer nach Deutschland schicken, die vorgeschriebenen Mindeststandards einhalten. „Das liegt nicht in unserem Interesse. Wenn wir uns in Deutschland entschließen, Mindeststandards einzuführen, dann sollen diese von allen – also auch ausländischen – Firmen eingehalten werden“, so Weisgerber. Nach der Kommissions-Mitteilung steht zur Disposition, dass sich der Arbeitnehmer bei den Behörden offiziell anmeldet und seine Sozialversicherungsunterlagen immer bereithalten muss oder dass der Arbeitgeber einen juristischen Vertreter im Gastland Deutschland benennt.