Verbesserungen und mehr Effizienz im öffentlichen Beschaffungswesen: Das ist das Ziel der Reform des Vergaberechts, über die der federführende Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments heute abstimmte. Das öffentliche Beschaffungswesen ist bedeutend für die Wirtschaft, denn es macht rund 18 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts aus. Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge öffentlicher Einrichtungen sind im Sinne der Verwirklichung des Binnenmarktes unter bestimmten Bedingungen europaweit auszuschreiben. Ziel ist das insgesamt wirtschaftlich günstigste, nicht das billigste Angebot, zu ermitteln. Wichtig sind in diesem Zusammenhang transparente und nichtdiskriminierende Verfahren, die die Teilnahme auch kleiner und mittlerer Unternehmen am Ausschreibungsprozess gewährleisten.
"Die Reform des Vergaberechts wird wichtige Fortschritte für mehr Flexibilität zugunsten der Kommunen bringen, unter anderem dadurch, dass nach den Vorschlägen des Ausschusses in allen Mitgliedstaaten der EU das deutlich flexiblere Verhandlungsverfahren als eine mögliche Verfahrensart eingeführt wird", so die CSU-Europaabgeordnete Anja Weisgerber. "Besonders freue ich mich, dass der Ausschuss meinem Änderungsantrag zugestimmt hat, der die Anwendbarkeit des Verhandlungsverfahrens zusätzlich noch deutlich ausweitet, indem die Voraussetzungen für die Wahl dieses Verfahrens so weit gefasst werden, dass viele Kommunen es wählen können. Dies bringt mehr Spielraum für die Kommunen, um maßgeschneiderte Lösungen für Beschaffungsvorhaben zu finden."
Kürzere Fristen und die – nach einer angemessenen Übergangszeit – obligatorische Anwendung elektronischer Ausschreibungen sollen zudem die Verfahren effizienter gestalten. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass nach der neuen Rechtslage nur noch das Unternehmen, das am Ende des Ausschreibungsprozesses den Zuschlag erhält, alle nötigen Dokumente bei der Vergabestelle einreichen muss. Großaufträge können in Zukunft europaweit in Lose aufgeteilt werden, um kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu solchen Ausschreibungen zu erleichtern. Soziale und umweltrelevante Kriterien können, müssen aber nicht in der Ausschreibung berücksichtigt werden.
Besonders umstritten sind dagegen die Regelungen, die in die kommunale Organisationsfreiheit eingreifen. "Kommunen müssen in der Lage sein, Leistungen der lokalen Daseinsvorsorge selbst oder in Kooperation mit benachbarten Kommunen zu erbringen, ohne gleich ein aufwändiges Ausschreibungsverfahren durchführen zu müssen. Positiv ist, dass uns dies nach schwierigen Verhandlungen zumindest bei der Erfüllung der Aufgaben durch Zweckverbände gelungen ist. Durch die von uns vorgeschlagene Änderung des Kommissionsvorschlags an dieser Stelle können etwa kleinere Kommunen auch in Zukunft mit benachbarten Gemeinden Verträge zur Erbringung von öffentlichen Aufgaben, z. B. des Winterstreudiensts schließen, ohne dies europaweit ausschreiben zu müssen. Allerdings müssen die Beschlüsse des Binnenmarktausschusses zur interkommunalen Zusammenarbeit, z. B. in dem Fall der Übertragung öffentlicher Aufgaben an sogenannte Eigenbetriebe wie Stadtwerke, bis zur Plenarabstimmung noch nachgebessert werden", so die Abgeordnete. "Für eine unbürokratische vergaberechtsfreie Ausschreibung von Aufträgen innerhalb des öffentlichen Sektors hätte ich mir allerdings insgesamt noch flexiblere Regelungen gewünscht und ich werde mich im weiteren Gesetzgebungsverfahren entschieden dafür einsetzen", so die CSU-Abgeordnete abschließend.
Dies spielt jedoch hauptsächlich im Rahmen der Verhandlungen der Richtlinie zu den Dienstleistungskonzessionen eine Rolle. "Grundsätzlich bin ich gegen die Dienstleistungskonzessionsrichtlinie, da sie keine erkennbaren Vorteile für den Binnenmarkt bringt. Allerdings sind die Sozialdemokraten leider für eine neue Regelung. Entgegen den anderen Berichterstattungen in der Presse schreibt diese Richtlinie jedoch keine zwingende Privatisierung des Wassersektors vor. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Dienstleistungskonzessionsrichtlinie setze ich mich – gegen große Widerstände vor allem aus Frankreich und Italien – entschieden dafür ein, dass die Vergabe von Konzessionen im Wassersektor und bei den Rettungsdiensten nicht europaweit ausgeschrieben werden müssen. Denn die bewährten Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge in Bayern müssen erhalten bleiben", kündigte Anja Weisgerber an. Diese Richtlinie wird am 24. Januar 2013 vom Binnenmarktausschuss verabschiedet.