80. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zum Haushaltsplan des Bundesumweltministeriums

Rede im Deutschen Bundestag, 06. September 2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Haushaltsdebatten dienen der Regierung dazu, ihre Schwerpunkte vorzustellen. Für die Opposition sind sie Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Die Bilanz zu Ihrem Haushalt und zur Politik des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz - das ist wenig überraschend - enttäuscht uns. Zu den Themen, die die Menschen wirklich umtreiben, zu den hohen Kosten, zu den dringend nötigen Entlastungen, war von der Verbraucherschutzministerin, ehrlich gesagt, wenig zu hören. Die Menschen wissen nicht, wie es im Winter weitergeht, wie sie die hohen Preise stemmen sollen. 

(Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie eben nicht zugehört?)

Gleichzeitig sollen mehr als 20 Millionen Gaskunden mit der Gasumlage Unternehmen stützen, die von einem Zusammenbruch teilweise überhaupt nicht bedroht sind. Das soll jetzt nachgebessert werden. Aber: In der ganzen Diskussion habe ich die Stimme der Verbraucherschutzministerin vermisst. Eine Verbraucherschutzministerin muss sich doch einschalten, muss doch Alternativen entwickeln. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Ministerin, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und bringen Sie sich ein! Die Gasumlage, so wie sie jetzt konzipiert ist, kann es so nicht geben. Sie muss zurückgezogen werden, Frau Ministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem dritten Entlastungspaket werden teilweise unsere Forderungen übernommen; aber es enthält auch viele Leerstellen und Fragezeichen. Sie vergessen die Normalverdiener, die gerade so über den Sozialhilfesätzen liegen.

(Judith Skudelny (FDP): Das stimmt doch gar nicht! Wir haben gerade etwas gegen die kalte Progression gemacht!)

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind angestellt; sie sind auf ihren Arbeitsplatz angewiesen. Wo sind die konkreten und dringend benötigten Entlastungen für die kleinen und mittleren Unternehmen? Das Entlastungspaket enthält dazu nur Ankündigungen. Es ist derzeit völlig unklar, wie und wann die Unternehmen durch die sogenannte Strompreisbremse entlastet werden. Die kleinen und mittleren Unternehmen sind es doch, die den Karren in Deutschland ziehen; sie sind es doch, die für das Bruttosozialprodukt verantwortlich sind. Da braucht es konkrete Unterstützung, sonst sehe ich für die Arbeitslosenquote in Deutschland schwarz, liebe Frau Ministerin. 

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Eine neue Kommission soll sich jetzt der hohen Gaspreise annehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Offenbarungseid. Die Regierung verfällt in ein gefährliches Muster: Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann bilde einen Arbeitskreis. - Aber die Zeit drängt, und die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen zu Recht wissen, in welcher Höhe sie wann mit einer Entlastung rechnen können. Die Belastung steht mit der Gasumlage im Raum. Bringen Sie endlich Licht ins Dunkel, und nehmen Sie den Menschen die Angst! 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Betrachtet man die bisher vom Bundesministerium vorgeschlagenen Gesetze, die vom Parlament verabschiedet wurden, steht nur die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zu Buche. Das ist ernüchternd und viel zu wenig. Man muss ernsthaft die Frage stellen: Können Sie Krise? Haben Sie die Zeichen der Zeit erkannt? - Inhaltlich ist die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes viel zu kurz gegriffen. Damit erreichen wir nicht die dringend benötigte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die wir für die Energiewende brauchen. 

(Judith Skudelny (FDP): Ernsthaft?)

Nur wenn wir in allen Bereichen - bezüglich aller Infrastrukturvorhaben, nicht nur bei der Windenergie - Planungsbeschleunigung hinbekommen, können wir Versorgungssicherheit gewährleisten und Klimaneutralität erreichen. Deshalb sage ich: Lassen Sie die Erleichterungen für sämtliche Infrastrukturvorhaben zu, und bessern Sie auch dieses Gesetz nach, Frau Ministerin!

(Beifall bei der CDU/CSU) - Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was heißt das für 10 H in Bayern?)

Zum Thema Kernenergie. Bislang hat die Regierung immer betont: Es gibt in Deutschland nur ein Wärmeproblem, aber kein Stromproblem. 

(Zuruf von der FDP: Das haben wir nie gesagt!)

Das war Ihr Mantra. Der Stresstest hat jetzt gezeigt, dass es in manchen Regionen Deutschlands im Winter auch zu Stromengpässen kommen kann. Und was ist Ihre Reaktion? Zwei Kernkraftwerke in der Notreserve sollen es jetzt richten. Das heißt, es ist noch gar nicht klar, ob sie aktiviert werden; 

(Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! Das steht da nicht drin! - Gegenruf des Abg. Steffen Bilger (CDU/CSU): Natürlich!

sie müssen für viel Geld vorgehalten werden. Das ist ehrlich gesagt ein schlechter Witz. Damit haben Sie die Chance auf eine sichere, bezahlbare und eine klimafreundliche Energieversorgung verpasst, liebe Ampel. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD - Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sollten es mal lesen - Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Sagt doch einfach, ihr wollt es nicht! Es ist euch egal, ob wir Strom haben oder nicht!)

Wir müssen alle Optionen nutzen. Wir müssen die Stromkapazitäten insgesamt erhöhen. Entlastungen sind wichtig und notwendig; aber damit lösen Sie das Grundproblem am Strommarkt nicht. Nur wenn wir das Angebot erhöhen, lösen wir dieses Problem. Nur das wirkt letztendlich preisdämpfend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb brauchen wir eine befristete Laufzeitverlängerung - das ist kein Wiedereinstieg, Frau Ministerin - aller drei Kernkraftwerke, damit wir sicher und zu bezahlbaren Preisen durch den Winter kommen. Ihre ideologisch geprägte Politik schadet unserem Land und belastet die Menschen. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geben Sie doch zu, dass das Ihr letzter Strohhalm ist, weil Sie die Energiewende vergeigt haben!)

Auch das dringend benötigte Klimaanpassungsgesetz lässt weiter auf sich warten. Und bei diesen Herausforderungen verwundert es schon, wenn die Mittel für Klimaanpassungsmaßnahmen mit diesem Haushalt um 15 Millionen Euro gekürzt werden. 

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Was? Das ist unglaublich!)

Das passt nicht zusammen. 
Mein Fazit zum Haushalt ist: An vielen Stellen müssen die Schwerpunkte anders gesetzt werden; meine Kolleginnen und Kollegen werden noch darauf eingehen. Sie können sich sicher sein, dass wir uns konstruktiv in diese Haushaltsdebatte einbringen. Parallel dazu muss die Ministerin als Stimme der Verbraucherinnen und Verbraucher stärker zu hören sein, die angekündigten Initiativen schneller vorlegen. Die Regierung muss in der derzeitigen Krise wirklich den Menschen helfen. Das sind Sie ihnen schuldig. 

Vielen Dank. 

(Beifall bei der CDU/CSU)