71. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zur Novelle des Klimaschutzgesetzes

Rede im Deutschen Bundestag, 10. Juni 2021

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Legislaturperiode haben wir beim Klimaschutz einiges erreicht, und wir setzen diese Klimaschutzpolitik ambitioniert fort. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Instrumente unserer Klimaschutzpolitik infrage gestellt. Allen Unkenrufen zum Trotz haben wir das 2020-Ziel jetzt auch erreicht, und zwar nicht nur wegen Corona, wie es immer behauptet wird, sondern vor allen Dingen wegen unserer Instrumente.

(Alexander Dobrindt (CDU/CSU): So ist es!)

Nur im Verkehrssektor merkt man die Coronapandemie, weil sich die Mobilität eingeschränkt hat. Aber in allen anderen Bereichen haben wir die Ziele wegen unserer Instrumente erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir nehmen den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts jetzt auch ambitioniert an. Was war die Kritik? Dass wir bis 2030 die Ziele noch ambitionierter formulieren, auch wegen der Frage der Generationengerechtigkeit, und dass wir für die Zeit danach die Schritte für das Erreichen von Klimaneutralität genau beschreiben.

Wie nehmen wir diesen Auftrag jetzt an? Indem wir das Klimaschutzgesetz ambitioniert weiterentwickeln. Und das möchte ich an dieser Stelle auch mal sagen, Frau Ministerin: Auch die Unionsfraktion ist für diese ambitionierte Weiterentwicklung, und ich würde mich freuen, wenn Sie in der Öffentlichkeit nicht immer anderes behaupten, Frau Ministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU - Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Wieso behauptet sie anderes? Sie könnte doch einfach mal die Realität beschreiben!)

Wir werden unser Klimaziel, bis 2030  55 Prozent weniger CO2 auszustoßen, jetzt auf 65 Prozent erhöhen, und wir nehmen uns vor, die Klimaneutralität schon früher, 2045, zu erreichen. Das ist sehr, sehr ambitioniert. Und da muss ich mich schon wundern, wenn die Grünen, die bis vor Kurzem 65 Prozent gefordert haben, jetzt nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ auf einmal 70 Prozent fordern. Das ist nämlich unrealistisch, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir machen Klimaschutzpolitik mit Augenmaß, nicht nur aus der Sicht der Umwelt- und Klimapolitik, sondern wir betrachten auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf die Arbeitsplätze, auf die soziale Frage, und wir müssen auch die Akzeptanz der Menschen behalten. Wir merken, dass das Thema Klimawandel in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die Menschen spüren die Folgen für Mensch, Tier, Natur. Die Übersterblichkeit hat in den Hitzesommern zugenommen. Wir merken es an den Wäldern, wir merken es an der Trockenheit, in der Landwirtschaft. Und deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Klimapolitik ambitioniert fortsetzen.

(Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie tun es nicht!)

Wir machen das im europäischen und internationalen Rahmen. Es war nämlich Angela Merkel, die auf europäischer Ebene durchgesetzt hat, dass die anderen EU-Staaten auch mal mitziehen und das EU-Ziel von 40 auf 55 Prozent erhöht wird; denn alleine, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir unsere Klimaziele nämlich nicht erreichen. Wir brauchen auch die anderen EU-Staaten; wir brauchen auch die anderen Staaten der Welt. Wir müssen auch die Entwicklungs- und Schwellenländer dazu bringen, ihre Wirtschaft von Anfang an klimafreundlich aufzubauen. Das ist unsere Politik! Wir machen Klimaschutz nicht mit der nationalen Brille, sondern wir haben den Weitblick, auch auf Europa und die internationale Ebene, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dann muss ich mich als Nächstes noch mal über die Grünen wundern. Sie sagen, ja, die Klimaziele sind jetzt festgelegt worden, aber bei den Maßnahmen würden wir uns wegducken und gar nichts machen.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das stimmt! Schauen Sie sich doch mal den Herrn Scholz und Herrn Scheuer an letzte Woche!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben 80 Milliarden Euro in ein Maßnahmenprogramm und in ein Konjunkturpaket gesteckt, mit dem wir auf Klima- und Umweltinnovationen setzen, das in allen Bereichen Anreize schafft - das ist unser Motto. Dann zu behaupten, dass wir keine Maßnahmen auf den Weg bringen, ist schlicht falsch. Das muss man hier im Hohen Haus auch mal ansprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt komme ich zu den Maßnahmen. Wir nehmen in allen Bereichen die Bürgerinnen und Bürger mit. Wir gestalten den Umstieg im Bereich der Industrie. Wir wollen die Wasserstoffstrategie voranbringen, um die Dekarbonisierung auch in der Industrie durchzusetzen. Wir nehmen, wie gesagt, aber auch die Bürger mit: Wir fördern den Umstieg auf das Elektroauto. Wir haben ein umfassendes Heizungsaustauschprogramm auf den Weg gebracht, das Bundesprogramm zur Förderung effizienter Gebäude; die Antragstellungen haben sich verdoppelt, verdreifacht -

(Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Ein Erfolg!)

ein Riesenerfolg. Das gilt es hier mal anzusprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben trotzdem das Bundesverfassungsgerichtsurteil gekriegt!)

Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch etwas zur Bepreisung sagen. Wir haben drei Instrumente: das Klimaschutzgesetz mit einem Monitoringmechanismus, das Maßnahmenprogramm, und das Dritte ist die Bepreisung. Wir wollen eine moderate Bepreisung, und wir wollen in den Anfangsjahren die Menschen auch dabei unterstützen, umzusteigen. Die Grünen wollen den Preisanstieg früher und höher, und in Wahrheit wollen sie auch noch viel mehr, als sie angesprochen haben.

(Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen gar nichts!)

Aber jetzt kommt der entscheidende Unterschied: Die Grünen wollen on top das Verbot des Verbrennungsmotors, das Verbot der Ölheizung; sie wollen Ordnungsrecht. Und die Wahrheit ist: Das macht dann alles noch teurer!

(Beatrix von Storch (AfD): Das ist Ihr nächster Koalitionspartner! Denken Sie darüber mal nach!)

Die Alternative ist dann CO2-Bepreisung - moderat. CO2 ist die neue Währung. CO2-Bepreisung ist ein Gamechanger, aber moderat. Gleichzeitig wollen wir die Menschen entlasten, aber nicht mit dem Energiegeld, wofür man extra eine Behörde aufbauen muss, um dann monatlich 8,30 Euro zu verteilen, was technisch gar nicht geht. Vielmehr wollen wir ganz gezielte Entlastungen, wir müssen diesen Strompreis senken.

(Alexander Dobrindt (CDU/CSU): So ist es!)

Und das machen wir jetzt; wir senken die EEG-Umlage.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen mit der Erhöhung der Pendlerpauschale die Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum mitnehmen.

(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch alles beschlossen! Mit uns!)

Wir haben das Wohngeld erhöht, und wir investieren in den Umstieg auf alternative Technologien. Wir setzen auf Innovation und Fortschritt. Wir wollen Begeisterung und nicht Askese. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt (CDU/CSU) - Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie waren doch bei den Verhandlungen dabei, Herr Dobrindt! - Gegenruf des Abg. Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Eure Haltung ist keine Haltung oder Kritik! - Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ohne uns hätten Sie doch gar keine Mehrheit im Bundesrat gehabt! Das ist die Wahrheit!)