63. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zum Thema "Mehr Frauen in den Deutschen Bundestag"

Rede im Deutschen Bundestag, 09. Oktober 2020

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Diskussion über Parität ist aufgrund der Corona-Pandemie ebenso wie die Diskussion über viele andere Themen zeitweise verstummt. Die Wichtigkeit und die Dringlichkeit dieses Themas sind aber geblieben. Mehr Frauen im Deutschen Bundestag, das ist auch für uns als Unionsfraktion ein wichtiges Anliegen. Deshalb hat der Koalitionsausschuss schon vor rund sechs Wochen die Reformkommission auf den Weg gebracht. Wir haben die Einsetzung gestern gesetzlich beschlossen. Dies zeigt die Handlungsfähigkeit der Koalition auch bei diesem Thema. Das ist ein enorm wichtiger Schritt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch wir Frauen in der Unionsfraktion haben die Einsetzung der Kommission gefordert. Wir haben uns in der interfraktionellen Frauengruppe sehr konstruktiv eingebracht und haben entscheidende Impulse gesetzt. - Ich sehe das Nicken. Jetzt setzen wir um. Wir haben diese Reformkommission, und sie befasst sich mit vielen wichtigen Fragen des Wahlrechts. Am wichtigsten ist mir natürlich der Auftrag an die Kommission, verfassungsmäßige Maßnahmen zu empfehlen, um eine Repräsentanz von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und im Bundestag zu erreichen. Das ist ein ganz wichtiger Auftrag, für mich der wichtigste.

Aber auch die anderen Themen sind wichtig. Corona hat uns vor Augen geführt, wie wichtig die Modernisierung unserer Arbeit auch hier im Bundestag ist. Das gesamte Parlament und jeder Einzelne haben gemerkt, dass wir uns in hoher Geschwindigkeit auf diese neue Situation einstellen mussten, dass wir uns anpassen mussten, um arbeitsfähig zu bleiben. Das ist uns ganz gut gelungen; aber es sind immer noch ganz viele Fragen offen, zum Beispiel wie wir die Digitalisierung hier mit Leben erfüllen, wenn die Pandemie wieder stärker zuschlägt. Auch als Klimapolitikerin und mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es mir ganz wichtig, dass wir dieses Thema in der Kommission intensiv angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch das Thema „Dauer der Legislaturperiode“ müssen wir angehen. Ich komme aus dem Europäischen Parlament, war dort neun Jahre lang tätig. Dort wird alle fünf Jahre gewählt. Das ist meiner Meinung nach auch sinnvoll.

(Beifall der Abg. Dr. Silke Launert (CDU/CSU))

Am Anfang der Legislaturperiode sind wir sehr lange mit Koalitionsverhandlungen befasst, und am Ende geht es schon wieder auf die Wahlen zu. Ich finde es wichtig, dass wir auch unsere Wahlperiode, unsere Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern. Auch das ist eben ein wichtiger Auftrag dieser Reformkommission.

(Beifall bei der CDU/CSU - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Mit mehr plebiszitären Elementen gerne!)

Das Wahlrecht ab 16 Jahren hat der Koalitionspartner auf die Tagesordnung gesetzt. Die Kommission hat einen umfassenden Auftrag. Es ist dann auch gut, dass wir nicht fünf Einzelkommissionen haben, sondern dass wir alle Themen, die das Wahlrecht betreffen, zusammen in dieser Kommission behandeln. Wenn man dann die Themen sieht, dann muss man sagen: In einem Jahr oder in einem Dreivierteljahr wäre es ganz schwierig gewesen, diese Themen alle umfassend zu behandeln.

(Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darum ging es doch gar nicht!)

Deswegen müssen wir die nächsten drei Jahre intensiv nutzen, um bei dem Thema, das uns als Frauen ganz besonders wichtig ist, wirklich konkrete Maßnahmenempfehlungen zu erarbeiten. Wir werden daran intensiv mitarbeiten, meine Damen und Herren.

Ich möchte mit einer Anekdote schließen: Meine Kinder - sie sind sieben und neun Jahre alt - haben mich kürzlich gefragt, ob eigentlich auch ein Mann Bundeskanzler werden kann. Daran sieht man: Die Frauen stehen ihren Mann oder ihre Frau, und sie gehen ihren Weg. Wir haben bezüglich der Gleichberechtigung von Frauen insgesamt viel erreicht. Aber wir brauchen nicht zu diskutieren: Ein Frauenanteil im Bundestag von rund 30 Prozent ist einfach zu gering. Das ist kein Spiegelbild des Volkes, und da muss sich etwas ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE), an die CDU/CSU gewandt: Da könnt ihr mal richtig klatschen von der Union!)

Deswegen sage ich: Wir müssen an vielen Fronten daran arbeiten. Wir müssen auch in der Partei daran arbeiten. Da möchte ich auch noch einmal erwähnen, dass wir als CSU schon seit Langem in den Bezirksvorständen und im Parteivorstand eine Quote haben und dass wir ein Mentoringprogramm haben, das seit langen Jahren wirkt. Ich habe gerade mit dem Kollegen Paul Lehrieder darüber gesprochen: In Unterfranken macht uns keiner etwas vor. Von fünf Bundestagsabgeordneten sind drei Frauen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE), an den Abg. Paul Lehrieder (CDU/CSU) gewandt: Da hast du Glück, dass du noch hier bist, Paul!)

Abschließend: Lasst uns doch jetzt nicht über die Dauer der Arbeit der Kommission und über die Themen streiten, sondern lasst uns einfach gemeinsam - Frauen und Männer, parteiübergreifend - daran arbeiten, dass wir beim Thema der Gleichberechtigung und gleichen Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag gemeinsam weiterkommen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)