Vortrag zum Journalistenseminar "Die Europäische Union" der Mainpost

Grüß Gott, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zuerst einmal ein ganz herzliches Dankeschön an Sie, dass Sie sich zu diesem Seminar angemeldet haben.
Sie zeigen damit, dass Sie sich für Europa interessieren, und das freut mich.
Denn Ihnen als zukünftigen Journalisten obliegt eine wichtige Funktion und damit eine große Verantwortung für unsere Informationsgesellschaft und unsere Demokratie.
Sie werden in Zukunft schnell entscheiden müssen, ob eine Meldung oder ein Thema aus Brüssel oder Straßburg einen Artikel wert ist und vor allem das Interesse Ihrer Kunden – der Leserinnen und Leser – findet.
Um diese Entscheidung treffen zu können, brauchen Sie ein umfangreiches Fachwissen über die Europäische Union.
Ich finde es daher eine tolle Idee von der Main-Post, gemeinsam mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland ein solches Europaseminar für Sie anzubieten.
Es macht deutlich, dass die Berichterstattung über die Geschehnisse auf europäischer Ebene auch im Bewusstsein der Medien inzwischen – denn das war nicht immer so – einen gesteigerten Stellenwert einnimmt.
Als Journalisten können Sie die öffentliche Meinung prägen und beeinflussen.
Dies ist eine Verantwortung und eine Herausforderung für jeden einzelnen Journalisten.
Die europäische Idee und die Europäische Union sind ein Erfolgsprojekt, davon bin ich fest überzeugt.
Ich würde mich freuen, wenn ich auch Sie davon überzeugen könnte.
Denn gerade eine Berichterstattung auch über die positiven Seiten der EU ist wichtig, um den Menschen in Unterfranken, Bayern, Deutschland und Europa die Vorteile und Errungenschaften der EU nahe zu bringen.
Nicht nur bad news sind good news!

Der Journalismus in Deutschland genießt einen sehr guten Ruf.
Dies ist vor allem auf die gute und gründliche Ausbildung des Nachwuchses und die konsequente Weiterbildung im späteren Beruf zurückzuführen.
Denn – und ich denke auch Sie wissen dies, weil sonst wären Sie heute nicht hier – man kann nicht überzeugend und fundiert über etwas berichten, von dem man keine Ahnung hat.
Ich habe vor kurzem mit einem Journalisten zusammengearbeitet, der ganz grundlegende Dinge wie den Unterschied zwischen Europarat und Europäischem Rat nicht kannte.
Der Europarat ist eine selbständige Internationale Organisation in Straßburg und hat nicht das Geringste mit der Europäischen Union zu tun.
Der Europäische Rat dagegen ist die Vertretung der nationalen Regierungen in der EU und damit eines ihrer höchsten Entscheidungsorgane.
Ich mache dem betreffenden Journalisten überhaupt keinen Vorwurf.
Ich finde es nur schade, denn weil er sich nicht so gut auskennt, schreibt er lieber gar nichts über die EU, bevor er etwas Falsches schreibt.
Dies ist eine ganz natürliche Reaktion.
Aber gerade weil Europa die Menschen betrifft – über 70 % unserer nationalen Gesetzgebung sind mehr oder weniger stark von europäischen Richtlinien und Verordnungen beeinflusst – gerade weil es uns so stark betrifft, ist konsequente Information wichtig.

In Absprache mit den anderen Referenten und der Seminarleitung kommt mir heute die Aufgabe zu, Ihnen sozusagen einen kleinen Crashkurs zur EU zu geben.
Ich habe mir dies so vorgestellt, dass ich Ihnen zuerst eine kurze Einführung zu meiner Arbeit und dann einen Überblick über die wichtigsten Institutionen in der EU und deren Zusammenspiel gebe.
Dabei werde ich immer wieder auf praktische Beispiele zu sprechen kommen, damit Sie nicht gänzlich gelangweilt sind.
Anschließend möchte ich für Ihre Fragen zur Verfügung stehen, denn ich denke, dass Sie am besten einschätzen können, was Sie für Ihre Arbeit wissen müssen und wissen möchten.

Ganz kurz also zu meiner Person.
Ich bin am 13. Juni 2004 zum ersten Mal ins Europäische Parlament gewählt worden.
Mit 29 Jahren bin ich dort eine der jüngsten Abgeordneten insgesamt und die jüngste aus Bayern.
Jeder und jede Abgeordnete ist im Regelfall Mitglied in zwei verschiedenen Ausschüssen.
Bei mir sind dies der Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
Als CSU-Abgeordnete bin ich zudem Mitglied in der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, für die ich auch die Funktionen als umweltpolitische Sprecherin, sozialpolitische Sprecherin, gesundheits- und sportpolitische Sprecherin wahrnehme.
Zudem gehöre ich der CDU/CSU-Gruppe und der EVP-ED-Fraktion an, das ist die Fraktion der Europäischen Volkspartei und der Europäischen Demokraten.
Neben meiner Arbeit im Parlament selbst ist für mich das Engagement in Unterfranken sehr wichtig.
Da ich ja auch in meinem erlernten Beruf Anwältin bin, möchte ich auch in der Politik Anwältin sein: nämlich eine Anwältin für Unterfranken und seine Bürgerinnen und Bürger.
Es gibt im Europäischen Parlament insgesamt 11 bayerische Abgeordnete.
9 davon sind von der CSU, 2 von der SPD.
Aufgrund dieser Verteilung bin ich in Unterfranken die einzige Europaabgeordnete.
Dies bedeutet auch für mich eine große Verantwortung.
Ich – und das möchte ich betonen – bin für alle 1,3 Millionen Unterfranken da, nicht nur für die, die CSU wählen.
Das klarzustellen ist nicht immer ganz einfach, mir dafür aber umso wichtiger.
Ich habe ein Serviceangebot aufgebaut, das allen interessierten Menschen offen steht.
Dazu gehören zum Beispiel auch Informationsveranstaltungen und Vorträge wie diese hier.
Außerdem umfasst mein Anbot:
Besucherfahrten nach Brüssel und Straßburg;
- Mein Bürgerbüro;
- Meine Bürgersprechstunde;
- Meine – komplett neu gestaltete – Homepage;
- Und die Arbeitsgemeinschaft Europa
Was ich auch gerne noch sagen möchte, ist, dass mir meine Arbeit sehr viel Spaß macht.
Europa ist eine tolle Sache und es freut mich sehr, dass ich so zu sagen an vorderster Front dafür kämpfen kann.

Aber wie funktioniert dieses Europa eigentlich?
Ich werde Ihnen nun die Institutionen Kommission, Parlament und Rat vorstellen.
Dann möchte ich noch etwas zum Gesetzgebungsverfahren mit dem Schwerpunkt auf der Parlamentsarbeit sagen und abschließend noch ein paar Informationen zu dem wichtigen Thema der EU-Finanzen anfügen.

Beginnen wir mit der Europäischen Kommission!
Jeder Mitgliedsstaat ist mit einem Kommissar oder einer Kommissarin in der Europäischen Kommission vertreten.
Sie besteht somit im Moment aus 25 Kommissaren, die mit Ausnahme des Präsidenten jeweils für ein bestimmtes Fachgebiet zuständig sind und als politisch verantwortliche Köpfe den entsprechenden Generaldirektionen vorstehen.
Die Mitarbeiter dieser Generaldirektionen sind in der Regel europäische Beamte oder Beamte aus den Mitgliedsstaaten, die für 3 bis 5 Jahre an die Kommission ausgeliehen werden.
„Hüterin der Verträge“ und „Motor der Europäischen Integration“ wird die Kommission oftmals genannt.
Und das stimmt in gewisser Weise auch.
Sie hat das Recht, Mitgliedsstaaten, die europäische Regelungen nicht oder nicht ordentlich umsetzen, vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.
Damit kommt ihr die Aufgabe zu, eine europaweit gleiche Anwendung des europäischen Rechts zu überwachen.
Zusätzlich hat sie das alleinige Gesetzesvorschlagsrecht.
Rat und Parlament können die Kommission zwar auffordern, eine Richtlinie oder eine Verordnung auszuarbeiten, die Entscheidung trifft letztlich jedoch die Kommission selbst.
Sie ist – so würde man im Neudeutschen sagen – der Agenda setter der Europäischen Union.
Sie ist in der Regel sehr integrationsfreudig, was man an der Vielzahl von Regelungen, die sie vorschlägt, klar erkennen kann.
Nachdem die Kommission einmal einen Gesetzesvorschlag auf den Weg gebracht hat, gestehen ihr die Europäischen Verträge dann nur noch beratende Funktion zu.
Allerdings hat es sich in dem Kräftedreieck zwischen Parlament, Rat und Kommission eingebürgert, die Kommission und ihren fachmännischen Rat in allen Phasen des Gesetzgebungsprozesses mit einzubeziehen.

Dies wird an dem Beispiel der Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie deutlich.
Dabei geht es um die Bereitschaftsdienstzeiten von Ärzten, Krankenschwestern, Feuerwehrleuten, Jugendpflegern und Sanitätern.
Aufgrund eines EuGH-Urteils muss die bestehende Arbeitszeitrichtlinie abgeändert werden.
Denn diese Richtlinie kennt nur zwei Kategorien: Arbeitszeit oder Ruhezeit.
Bereitschaftsdienste sind allerdings eine Mischung aus beidem.
Der EuGH musste sich aber – weil es ja nur die beiden Kategorien gibt – für eine entscheiden und hat entschieden, dass Bereitschaftsdienste komplett als Arbeitszeit anzusehen sind.
Diese Lösung ist – nach der Meinung der Kommission und auch nach der Meinung vieler Politiker – zu pauschal.
Denn Feuerwehrmänner und Jugendarbeiter können während ihrer Bereitschaftsdienste meist ruhen, Ärzte in kleinen Krankenhäusern auch.
Diese Zeit dann als Arbeitszeit zu bewerten – und damit letzen Endes auch voll zu bezahlen – wäre nicht sachgerecht und anderen Arbeitnehmern, die für ihr Geld voll arbeiten müssen, auch nicht fair.
Die Kommission hat daher vorgeschlagen, dass nur die aktive Zeit eines Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit gelten soll.
Die EVP hat auf meine Initiative hin den Anstoß gegeben, diese Zeiten anhand von Erfahrungswerten zu pauschalisieren, um unnötige Bürokratie zu vermeiden.
Dies wird in anderen Bereichen heute schon so gehandhabt.
Die Kommission hat also ihren Vorschlag gemacht, der dann aber vom Parlament in einer ersten Lesung abgeändert wurde, weil eine knappe Mehrheit des Parlaments eine andere Meinung als die Kommission vertreten hat.
Jetzt würde der durch das Parlament geänderte Vorschlag eigentlich direkt an den Rat zu dessen erster Lesung gehen.
Allerdings räumt man in dieser Phase der Kommission die Möglichkeit ein, eine Stellungnahme abzugeben.
So hat die Kommission bekräftigt, dass sie ihren ursprünglichen Vorschlag trotz der Entscheidung des Parlaments für besser hält.
Aber sie hat auch einen Vorschlag für einen Kompromiss vorgelegt, an dem sich der Rat bei seinen Verhandlungen orientieren könnte.
Dass sich dieser Kompromiss an einem meiner Vorschläge orientiert, hat mich dabei natürlich besonders gefreut.
Der Rat kann diesem Vorschlag folgen, ist dazu aber nicht verpflichtet.
Auch in späteren Phasen des Verfahrens wird die Kommission mit eingebunden, so dass die Entscheidungen auf europäischer Ebene letztlich im besten Fall von allen drei Beteiligten Institutionen mitgetragen werden.

Kommen wir damit zum Rat.
Wie ich Ihnen bereits am Anfang meines Vortrags kurz erklärte, gibt es einen sehr bedeutenden Unterschied zwischen dem Europarat und dem Europäischen Rat.
Und weil es schon so noch nicht kompliziert genug ist, gibt es in der EU noch mal zwei verschiedene Räte:
den Europäischen Rat: Das ist der Rat der Staats- und Regierungschefs.
und den Rat der Europäischen Union, der sich aus den jeweils zuständigen Fachministern der nationalen Regierungen zusammensetzt.
Im Rat der Europäischen Union für Finanzen sitzen also alle Finanzminister, im Rat für Umwelt die Umweltminister und so weiter.
Diese Unterschiede zu erklären, ist oftmals nicht so einfach, so dass der übliche Sprachgebrauch stets nur vom Rat an sich spricht ohne weitere Zusätze.
Der Rat also war lange Zeit das oberste und einzige wirkliche Entscheidungsorgan der EU.
Doch diese Zeiten sind lange vorbei, denn im Laufe der Entwicklung der EU wurde klar, dass am Parlament als der einzig direkt demokratisch legitimierten Institution keiner mehr vorbeikommen darf.
Deshalb entscheiden in den meisten – leider allerdings noch immer nicht in allen – Politikbereichen Parlament und Rat gemeinsam über Gesetzesvorhaben der EU.
Der Rat erfüllt in der Gesetzgebung also die Funktion einer von zwei Kammern.

Dies sieht man sehr schön am Beispiel der neuen Chemikalienpolitik der EU, die unter dem Begriff REACH bekannt ist.
Es geht dabei darum, alle chemischen Stoffe in Europa – alte wie neue – einem einheitlichen Bewertungs- und Zulassungsverfahren zu unterwerfen.
Hier haben einige Mitgliedsstaaten bei den Beratungen im Rat einen vom Kommissionsvorschlag abweichenden Vorschlag gemacht.
Die Kommission will die strengsten Auflagen für die Substanzen, die in der größten Menge hergestellt werden.
Dies würde bedeuten, dass als allererstes und mit den strengsten Auflagen die chemische Verbindung, die wir als stinknormales Salz kennen, registriert werden müsste, weil sie in sehr großer Menge hergestellt wird.
Auf der anderen Seite könnte es zum Beispiel weniger Auflagen für einen chemischen Stoff geben, der das krebserregende Benzol enthält, und nur deshalb, weil er in kleinerer Menge produziert wird.
Der Vorschlag einiger Mitgliedsstaaten, der sich mit dem Vorschlag der EVP deckt, zielt darauf ab, das sogenannte Verwendungs- und Expositionsrisiko mit in die Bewertung einzubeziehen.
Dann würde nicht nur die produzierte Menge, sondern auch die wahrscheinliche Gefährlichkeit eines Stoffes in die Bewertung mit einbezogen.
Dieser Ansatz aus dem Rat hat – in leicht abgewandelter Form – in zwei Ausschüssen des Parlaments eine Mehrheit gefunden und steht nun Anfang November im Plenum zur Abstimmung.
Dieses Beispiel zeigt, dass der Rat im Gesetzgebungsverfahren eine gestaltende Rolle einnimmt.
Zusätzlich zu dieser legislativen Funktion kommt ihm noch eine allgemein gestaltende Wirkung für die europäische Politik zu, denn er legt die Vorgaben und Ziele für die verschiedenen Politikbereiche der EU fest.

Und nun zu der – meiner Meinung nach bedeutendsten – Institution: zum Europäischen Parlament.
Ich sage dies nicht nur, weil ich selbst Mitglied desselben bin.
Nein, ich bin fest davon überzeugt.
Das Europäische Parlament ist zuerst einmal die direkt gewählte Vertretung der europäischen Völker und damit auch Ihre Vertretung.
Zudem besitzt das Parlament einige herausragende Schlüsselkompetenzen, als da wären zum Beispiel:
Das Haushaltsrecht – das Europäische Parlament muss den Gesamthaushalt der EU beschließen und kann mit wenigen Ausnahmen sogar festlegen, wofür jeder einzelne Euro ausgegeben wird,
Das Recht, die Kommission zum Rücktritt aufzufordern – dies ist bisher noch nicht geschehen, allerdings war man einmal kurz davor bei der Santer-Kommission, die dann dem Parlament zuvorkam und „freiwillig“ zurücktrat.
Die unterschiedlichsten Gesetzgebungsrechte, auf die ich noch zu sprechen kommen werde,
Das Recht und die Pflicht, einen Kommissionspräsidenten zu benennen – wie mächtig diese Kompetenz ist, haben wir ja Ende letzten Jahres sehen können, als die erste Barroso-Kommission am angekündigten Parlamentvotum scheiterte.
Es gibt nur einen großen Bereich, in dem das Parlament kein Mitspracherecht hat.
Und das ist der Agrarbereich.
Für Unterfranken und Bayern, wo wir eine überdurchschnittlich große Zahl an landwirtschaftlichen Betrieben und Flächen haben, ist dies von besonderer Bedeutung.
Im Agrarbereich entscheiden einzig und allein die nationalen Regierungen im Rat.
Das ist für uns Parlamentarier schon ein Dorn im Auge.
Immerhin machen die Agrarausgaben zwar nicht mehr 70 % des EU-Haushalts aus wie früher einmal, immer noch aber über 40 %.
Mit der Europäischen Verfassung, die ja erstmal einen Rückschlag erlitten hat, hätte das Parlament auch in diesem wichtigen Bereich die Gesetzgebungskompetenz erhalten.
Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das bei der nächsten Vertragsrevision hinbekommen.
Das Parlament ist – wie Sie sehen – ganz schön mächtig.
Dies ist vor kurzem erst wieder deutlich geworden, als sich das Parlament in einem wichtigen Gesetzesprojekt gegen Kommission und Rat durchsetzen konnte.
Es ging dabei um eine Richtlinie zum Schutz von Arbeitnehmern vor den Gefahren optischer Strahlen.
Damit sollte das Schutzniveau im Bezug auf Laserstrahlen, Infrarotstrahlen und ähnlichem europaweit vereinheitlicht werden.
Das ist ja auch sinnvoll.
Allerdings sah dieser Richtlinienentwurf vor, dass auch Schutzmaßnahmen für natürliche optische Strahlen – also Sonnenstrahlen – eingeführt werden sollten.
Dies ist der Grund, warum die Richtlinie in der Presse als „Sonnenscheinrichtlinie“ bekannt geworden ist.
Das Europäische Parlament hat in der 2. Lesung auf Antrag einiger EVP-Abgeordneter, darunter auch ich, mit qualifizierter Mehrheit dafür gestimmt, diese Regelungen zur Sonnenstrahlung weitgehend zu entschärfen.
Das Parlament hat sich damit gegen Rat und Kommission durchgesetzt.
Ich hatte vor einigen Tagen ein Gespräch mit dem Kommissionspräsidenten Barroso, in dem er mir eröffnet hat, dass sich die Kommission von den Argumenten und dem Votum des Parlaments überzeugen lässt und nun bereit wäre, komplett auf die Sonnenregeln zu verzichten.
Wenn wir in den Gesprächen mit dem Rat zu dem gleichen Ergebnis kommen könnten, hätten wir einen wahrlich beachtlichen Erfolg gegen zuviel Bürokratie in Europa errungen.
Und dies einzig und allein auf Veranlassung des Parlaments.
Ich denke, dieses kleine Beispiel macht deutlich, wie wichtig die Rolle des Parlaments innerhalb der EU geworden ist.
Ich denke, Sie konnten damit einen guten Überblick über die Aufgaben und das Zusammenspiel der drei Institutionen Kommission, Rat und Parlament bekommen.

Bei meinen Beispielen habe ich schon Begriffe wie 1. und 2. Lesung und andere gebraucht, auf die nun noch einmal kurz eingehen möchte.
Es geht um die Art und Weise, wie Gesetze in der Europäischen Union zustande kommen.
Es gibt verschiedene Verfahren dazu.
Zwei der weniger wichtigen sind das Zustimmungs- und das Anhörungsverfahren.
Beim Zustimmungsverfahren ist die Zustimmung des Parlaments die Voraussetzung für das Zustandekommen eines Gesetzes.
Das klingt nach sehr viel Einfluss, ist aber nicht ganz so.
Erstens wird es nur in wenigen Ausnahmefällen, so zum Beispiel beim Beitritt der EU zu Internationalen Organisationen wie der WHO, angewandt.
Außerdem kann das Parlament nur ja oder nein sagen, aber keine eigenen Änderungen vorschlagen.
Das Anhörungsverfahren ist noch unbedeutender.
Es wird zum Beispiel im schon erwähnten Agrarbereich verwendet.
Dabei muss das Parlament angehört werden.
Dies sieht letztlich so aus, dass das Parlament eine Stellungnahme abgibt, an die sich weder Kommission noch Rat am Ende halten müssen.
Das wirklich interessante und inzwischen auch gängige Gesetzgebungsverfahren ist das der Mitentscheidung.
Es gilt heute in fast allen Politikbereichen.
Ich habe dazu eine Übersichtsfolie gemacht, anhand der Sie sich das Verfahren visualisieren können.
Es beginnt mit dem Gesetzesvorschlag der Kommission, der dem Parlament und dem Rat zugeleitet wird.
Dann befassen sich Rat und Parlament mit dem Vorschlag – das ist die 1. Lesung.
Bei den Entscheidungen hat das Parlament den Vortritt, es stimmt zuerst über den Vorschlag ab.
Das Prozedere innerhalb des Parlaments folgt auch einem festgeschriebenen Schema.
Das Präsidium entscheidet darüber, welche Ausschüsse sich mit dem Vorschlag befassen sollen.
Einer davon ist der federführende, die anderen sind beratende Ausschüsse.
Bei der Arbeitszeitrichtlinie geht es um Arbeitnehmerschutz, das heißt Beschäftigungsfragen, also ist der Beschäftigungsausschuss federführend zuständig.
Weil auch wirtschaftliche Fragestellungen eine Rolle spielen, ist der Wirtschaftsausschuss ein beratender Ausschuss bei diesem Thema.
Je nachdem wie wichtig und umfangreich ein Projekt ist, kann eine Vielzahl von Ausschüssen damit beschäftigt sein.
Damit lässt das Parlament die Kompetenz möglichst vieler Abgeordneter in die Beratungen mit einfließen.
Im Ausschuss obliegt die Bearbeitung des Themas dann wiederum hauptverantwortlich einem bestimmten Abgeordneten, der als Berichterstatter bezeichnet wird.
Gemeinsam mit den Abgeordneten erarbeitet er eine Stellungnahme des Parlaments zu dem vorgeschlagenen Rechtsakt.
Dieser Bericht – das ist der Fachbegriff – enthält in der Regel eine Reihe von Änderungen am ursprünglichen Kommissionsvorschlag.
Änderungen können Ergänzungen, Umformulierungen, Streichungen oder ganz neue Paragraphen sein.
Dieser Bericht wird im Ausschuss abgestimmt und dann ans Plenum überwiesen.
Das Plenum entscheidet abschließend über den Bericht, der durch Änderungsanträge von einzelnen Abgeordneten – wie zum Beispiel bei der Arbeitszeitrichtlinie oder der Sonnenscheinrichtlinie von mir – ergänzt werden kann.
Damit ist die erste Lesung im Parlament abgeschlossen und der Rat ist am Zug.

Der Rat entscheidet auf der Grundlage des durch das Parlament geänderten Entwurfs, ob er zustimmt – dann ist das Gesetz erlassen – oder Änderungen vorschlägt – dann kommt es zu einer 2. Lesung.
In der 2. Lesung kommt es zum gleichen Spiel im Parlament.
Um die Stellungnahme des Rates – sie heißt Gemeinsamer Standpunkt – zu ändern, ist die absolute Mehrheit notwendig.
Der Gemeinsame Standpunkt kann abgelehnt werden, dann ist das Gesetzesvorhaben endgültig gescheitert.
Diese Macht hat das Parlament.
Er kann aber auch angenommen werden, dann kommt das Gesetz zustande, oder mit absoluter Mehrheit geändert werden, dann gibt es auch im Rat eine 2. Lesung.
Stimmt der Rat wiederum den Änderungen des Parlaments nicht zu, so kommt es zum Vermittlungsverfahren, also einer 3. Lesung.
Dies mag auf den ersten Blick kompliziert und verwirrend sein, unterscheidet sich aber kaum vom deutschen Gesetzgebungsverfahren mit Bundestag und Bundesrat.
Ich denke, dass ein Überblick über das Verfahren für Sie als Journalisten sehr wichtig ist, denn so können Sie schnell einschätzen, in welchem Stadium des Prozesses sich ein Gesetzesvorschlag befindet und wann wichtige Entscheidungen – und vor allem von wem – zu erwarten sind.
Soweit also zum Mitentscheidungsverfahren.

Ich möchte nun zu einem weiteren spannenden Thema kommen – zu den Finanzen der EU.
Ich empfange jede Woche mehrere Besuchergruppen im Parlament und eine der Fragen, die immer wieder gestellt werden ist die Frage: Warum zahlt Deutschland so viel?
Deutschland ist in absoluten Zahlen gesehen der größte Nettozahler in der EU, das ist richtig.
Ich möchte Ihnen nun darlegen, wie dies zustande kommt und auch warum Deutschland relativ gesehen nur im Mittelfeld der Nettozahler liegt.
Wie finanziert sich die EU?
Die EU hat einen Gesamthaushalt von etwa 100 Milliarden Euro.
Im Vergleich dazu liegt der Bundeshaushalt Deutschlands bei etwa 250 Milliarden Euro.
Eine Besonderheit des EU-Haushalts ist, dass die Union keine Schulden machen darf.
Sie muss mit dem Geld auskommen, das sie durch den Finanzrahmen einnimmt, das ist – denke ich – schon eine ordentliche Leistung.
Die Einnahmenseite der EU stützt sich auf 3 Säulen:
Einnahmen aus Zöllen,
Einnahmen aus Mehrwertsteuerabgaben,
Einnahmen aus Eigenmittelzahlungen der Mitgliedsstaaten.
75 % der Einfuhrzölle und anderen Zollabgaben innerhalb der Europäischen Union fließen in den EU-Haushalt, der Rest verbleibt bei den Mitgliedsstaaten zur Deckung der Kosten für die Erhebung der Abgaben.
Zölle machen etwa 13 % der EU-Einnahmen aus.
Außerdem erhält die EU 0,5 % der Mehrwertsteuereinnahmen eines jeden Mitgliedsstaates.
Da liegt Deutschland absolut gesehen natürlich mit an der Spitze.
Wir haben zwar einen niedrigen Mehrwertsteuersatz, aber 80 Millionen Verbraucher, die Mehrwertsteuer zahlen.
Relativ gesehen zahlen Mitgliedsstaaten mit einer höheren Mehrwertsteuer aber mehr an die EU.
Ein kleines Beispiel: Von einem PC für 1000 Euro zahlt ein Deutscher bei 16 % Mehrwertsteuer bildlich gesprochen 63 Cent an die EU, ein Österreicher bei 20 % dagegen 83 Cent.
Die Mehrwertsteuer macht etwa 14 % der EU-Einnahmen aus.
Der größte Anteil mit 73 % sind die Eigenmittelzahlungen der Mitgliedsstaaten, die an das Bruttoinlandsprodukt gekoppelt sind.
Diese Zahlungen sind der große Streitpunkt in der EU, wegen dem der Finanzgipfel in diesem Sommer gescheitert ist.
Im Moment liegen die Zahlungen bei 1,14 % des BIP.
Die Kommission will mehr Geld, die Mitgliedsstaaten weniger zahlen.
Das ist ja kein neuer Streit.
Dass Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern ein größeres Bruttoinlandsprodukt hat als Luxemburg mit 400.000 Einwohnern ist selbstverständlich.
Deshalb zahlt Deutschland absolut gesehen am meisten.
Und Deutschland ist – allen Unkenrufen zum Trotz – immer noch eine starke Volkswirtschaft.
So schlecht geht es uns nicht – vor allem im Vergleich mit einigen unserer europäischen Nachbarn.
Und deshalb bekommen wir von den Mitteln, die wir in die EU einzahlen, nicht wieder alles heraus.
Daher kommt unsere Eigenschaft als Nettozahler.
Und weil unsere Bruttozahlungen wegen der Höhe unseres BIP so enorm hoch sind, sind wir auf dem Papier auch größter Nettozahler.
Betrachtet man sich allerdings die Pro-Kopf-Zahlungen, so relativiert sich dieser Aspekt.
Pro Kopf zahlen andere Staaten nämlich mehr.
Heruntergerechnet zahlt jeder Deutsche netto etwa 87 Euro im Jahr an die EU.
Dagegen zahlen die Luxemburger 130 Euro, die Niederländer 126 Euro oder die Schweden 119 Euro.
Damit liegt Deutschland im Mittelfeld der Nettozahler – nicht an der Spitze.
Und dann muss die Frage erlaubt sein – diese Bemerkung mögen Sie mir als Europapolitikerin gestatten –, ob uns Frieden und Wohlstand in Europa seit über 50 Jahren 87 Euro im Jahr wert sind.
Darüber hinaus wirken sich europäische Regelungen auch für jeden einzelnen Bürger kostensparend aus:
Durch den Euro sind Umtauschgebühren für Geld weggefallen; die Reiseweltmeister aus Deutschland sparen sich dadurch 0,4 % des BIP im Jahr – erinnern Sie sich, wir 1,14 % zahlen wir an die EU!
60 % unseres Exports gehen nicht zuletzt wegen des EU-Binnenmarkts ins europäische Ausland – dies sichert hier Arbeitsplätze.
Ich möchte Sie mit diesen Zahlenspielen nicht langweilen.
Aber es liegt mir schon am Herzen, dass gerade in den umstrittenen Bereich der Finanzen ein wenig Licht gebracht wird.

Ich denke, ich sollte Ihre Aufnahmefähigkeit und Ihr Interesse nicht überstrapazieren und möchte zum Ende meiner Ausführungen kommen.
Wie ich am Anfang sagte, ist Ihre Rolle als Vermittler von Informationen für die Bürgerinnen und Bürger in Unterfranken, Bayern und Deutschland sehr bedeutend.
Dieses Seminar hat das Ziel, Ihnen das Handwerkszeug, das Wissen mitzugeben, das Sie für eine ordentliche Arbeit im europäischen Politikfeld brauchen.
Ich hoffe, ich konnte meinen Teil dazu beitragen, Ihnen die Begriffe Kommission, Rat und Parlament sowie Einblicke in das Gesetzgebungsverfahren und die Finanzen zu vermitteln.
Es wurden viele Punkte angesprochen, die sicher einer näheren Erläuterung bedürfen.
Ich bin gespannt auf Ihre Fragen und auf unsere Diskussion.
Bis hierher vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich stehe Ihnen nun voll zur Verfügung.
Danke.